Technische Systeme

Das Schwarmverhalten als Vorbild für die Produktionsplanung

Verhaltensweisen aus der Natur liefern gute Ideen für Apparaturen. An der Uni Klagenfurt setzt man selbstorganisierte Systeme für maschinelle Anwendungen um: Kleine Roboter stapeln und verschieben Waren in einem Lagerhaus, ohne sich gegenseitig zu blockieren.

Ein Vogelzug überrascht mit der Disziplin, die den Schwarm zusammenhält. Der Vogelschwarm weicht einem Hindernis oder einer Gefahrenquelle aus. Dabei orientiert sich der einzelne Vogel an seinen Nachbarn, eine bevorstehende Beeinträchtigung der Flugbahn und damit die Änderung der Flugbahn nimmt nur der Leitvogel wahr, die Gesamtgruppe folgt in der zuvor bestehenden Ordnung.

Der Informationstechniker Wilfried Elmenreich von der Uni Klagenfurt stellt dem Vogelzug ein menschliches Bild gegenüber. Angenommen 100 Personen würden jeweils eine Drohne steuern und einen Vogelzug nachahmen. Da ist es unwahrscheinlich, dass nicht ab und zu eine Drohne an die andere stößt und Flugrhythmus und Ordnung beeinträchtigt.

„In der Natur kann man beobachten, wie Lebewesen durch Schwarmverhalten effizienter und überlebensfähiger agieren“, sagt Elmenreich. Und hier setzt die Forschung des Informationstechnikers der Uni Klagenfurt an. Beispiele für seine Untersuchungen zur Schwarmintelligenz sind Bienenschwärme und Ameisenkolonien bei der Futtersuche, Herden bei der Verteidigung gegenüber Raubtieren, Fischschwärme, bei denen einzelne Individuen ohne die Gemeinschaft gar nicht überleben können, und der Vogelzug.

Das den Schwärmen innewohnende Prinzip der Selbstorganisation dient Elmenreich und seinem Team als Muster für Vernetzungen in der Technik. Am Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme werden solche selbstorganisierenden Systeme bereits seit über zehn Jahren erforscht. Das vor Kurzem abgeschlossene Forschungsprojekt Swilt (Swarm Intelligence Layer of Control Autonomous Agents) befasste sich mit der agentenbasierten Schwarmmodellierung: Der Fokus lag auf der Produktionsplanung in einem industriellen Anwendungsfall.

Von Bienen und Ameisen lernen

Elmenreich erklärt: „In einer Fallstudie wurde die Produktionsplanung in der Halbleiterindustrie als ein Schwarmproblem modelliert und mehrere von der Natur inspirierte Schwarmalgorithmen auf das Problem angewandt.“ Darunter befanden sich ein künstliches Hormonsystem, ein künstlicher Bienenvolk-Algorithmus und ein Algorithmus, der vom Futtersuchverhalten der Ameisen abgeleitet ist.

Ganz am Anfang solcher Forschungen stehen Biologen, die das Verhalten der natürlichen Lebewesen untersuchen und dokumentieren. Die Vorgaben der Biologen werden algorithmisch abstrahiert, allerdings „nicht eins zu eins an das natürliche Verhalten“ gekoppelt. Die Informatiker konnten zwei Arten von Impulsmodellen nachbauen. Einerseits das „klassische Modell“, bei dem Neuronen durch Synapsen verbunden werden und unterschiedliche Signale senden, die einen Aktivierungszustand ergeben, der schließlich umgerechnet wird. Beim zweiten Modell wird das neurale Netzwerk durch Impulsspitzen gesteuert.

Das Klagenfurter Institut konnte auf mehrere Vorarbeiten zurückgreifen. Als Pionier gilt der US-Forscher Craig Reynolds, der 1986 erstmals das natürliche Verhalten eines Vogelschwarms in ein Computerprogramm umgesetzt und damit ein komplexes Naturphänomen simuliert hat. Seit etwa zehn Jahren ergeben sich aber über Anwendungen des maschinellen Lernens neue Möglichkeiten. „Ich gebe bestimmte Dinge vor, zum Beispiel die Stromverbrauchskurve eines Fernsehers oder einer Kaffeemaschine, und das System kann später solche Geräte anhand von Strommessdaten wiedererkennen“, sagt Elmenreich.

In einem eigens errichteten kleinen Lagerhaus haben die Forschenden ein Programm eingesetzt, in dem kleine Roboter koordiniert Waren stapeln und verschieben, ohne sich gegenseitig zu blockieren. Auch das Swilt-Projekt endete erfolgreich. Wie die Simulationen zeigen, könnte umgelegt auf ein großes Produktionsplanungssystem die Gesamtleistung im einstelligen Prozentbereich verbessert werden. Das würde für einen Betrieb bereits einen erheblichen Gewinn bedeuten. Dazu Elmenreich: „Darüber hinaus haben die vorgeschlagenen Algorithmen den Vorteil, dass sie weniger ressourcenhungrig sind als andere Ansätze.“

LEXIKON

„Swilt“ oder „Swarm Intelligence Layer to Control Autonomus Agents“ lautet der Titel des nun abgeschlossenen Projekts, das von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG gefördert wurde. Gemeinsam mit Wilfried Elmenreich und seinem Team von der Uni Klagenfurt waren die Lakeside Labs Gmbh, Infineon und Novunex GmbH an der Swilt-Forschung beteiligt.

Schwarmforschung betreibt Elmenreich auch in seinem „CPSwarm Projekt“. Es wurde bei der Workshoptagung „Kommunikation in Schwärmen“ bereits 2019 in Turin, Italien, vorgestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2022)

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