Wenn der jüdische Heiratsvermittler kommt

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Fromme Juden schwören auf seine Dienste - ein Schadchen ist ein gewerbsmäßiger Kuppler, der nach zusammenpassenden Partnern Ausschau hält und Ehen zwischen Jüdinnen und Juden stiftet.

Wien. José Weber sitzt in einem Hotel in der Wiener Innenstadt und wartet auf seine Klienten. Auf dem Tisch vor ihm steht eine Kaffeetasse, daneben ein Fragebogen und ein Fotoapparat. José Webers Job ist es, Menschen zusammenzubringen. Er ist ein Schadchen – ein jüdischer Heiratsvermittler.

Zunächst einmal durchleuchtet José Weber seine Kunden, die vor allem durch Inserate auf ihn aufmerksam werden. Schließlich muss er ein Gefühl für die Klienten und ihre Wünsche bekommen. Zusätzlich macht er ein paar Fotos und legt ein Profil in seiner Datenbank an. Dieser erste Eindruck hilft ihm, über möglichst geeignete Partner nachzudenken. Der erste Vorschlag kommt in der Regel innerhalb eines Monats.

Wenn Weber glaubt, dass er zwei zueinander passende Kandidaten gefunden hat, übermittelt er die Kontaktdaten an die beiden. Wie in alten romantischen Zeiten wartet die Frau auf den Anruf des Mannes, um ein Treffen zu vereinbaren.

Die Familie wird im Judentum als Zelle eines Volkes betrachtet – deswegen hat ein Schadchen eine besondere Bedeutung. Laut dem Wiener Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg haben fromme Juden früher immer einen Schadchen zu Hilfe genommen, um eine gute eheliche Verbindung zu sichern.

Erst Kunde, dann Agenturchef

Schadchens sollen auch verhindern, dass es zu einer unglücklichen Ehe kommt. Darum sei es sehr wichtig, auf die Hintergründe des Paars zu achten– geografische Lage, Religiosität, physische Präferenzen, sozialer Status, Beruf und Einkommen. Hier müsse es Überschneidungen geben. „Früher war alles sehr persönlich“, meint Eisenberg, „die neue Technik macht Heiratsvermittlungen heutzutage ganz anders“.

Nach seiner Scheidung war José Weber selbst Kunde einer Heiratsvermittlerin. Er wollte nicht alleine bleiben, sondern wieder gemeinsam mit einer Familie den Schabbath feiern. Das ist ihm gelungen. Und nicht nur das – er hat auch gleich die Heiratsvermittleragentur übernommen.

Seit über 23 Jahren ist er mit seiner Agentur „Simantov“ („gutes Zeichen“), die ihren Hauptsitz in Frankfurt am Main hat, auch in Österreich aktiv. Mehrere hundert Male hat er schon vermittelt. Etwa 40 Ehen sind daraus entstanden. „Laut meinem Wissensstand ist nur eine Ehe geschieden worden.“ Zu seiner Klientel gehören Menschen aus allen Altersgruppen, von 17 bis 85 Jahren. „Und alle möglichen Berufsgruppen, vom Handwerker bis zum Professor.“

Aber ist eine derartige Heiratsvermittlung in Zeiten des Internets noch zeitgemäß? „Bei Internet-Datenbanken weiß man niemals, mit wem man es zu tun hat“, meint Weber. „Es gibt den älteren Herren, der sich erheblich jünger macht, um junge Frauen kennen zu lernen, oder eingefleischte verheiratete Online-Fremdgeher.“ Er dagegen kümmere sich persönlich um die Klienten.

Singletreffen hat er dennoch schon einige besucht – als Vortragsredner. Doch die Wahrscheinlichkeit, dort einen Partner zu finden, schätzt er als gering ein – es seien immer dieselben Menschen dort. Außerdem würden viele diese Treffen nur als Freizeitgestaltung betrachten. „Die meisten, die dort ernsthaft einen Partner suchen“, meint der Heiratsvermittler, „verlieren damit viel Zeit“.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.simantov.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2010)

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