Glosse

Wie halten Sie’s mit der "Menschenfresserei"?

(c) Roland Schroll, APA
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Was vermenschlichte Produkte mit unserem Moralverständnis zu tun haben (können).

Die Lebensmittelindustrie ist stets für Überraschungen gut. Neue Verpackungen, neue Slogans, neues Produktdesign sollen die Käuferinnen und Käufer bei Laune halten und zum Geldausgeben motivieren. Zuweilen treibt diese Kreativität merkwürdige Blüten. Etwa dann, wenn das Offerierte plötzlich nicht mehr nur schön, skurril oder spannend zum Anschauen ist, sondern zurückschaut.

Das Marketingkonzept dahinter nennt sich Anthropomorphismus und meint, dass Produkte vermenschlicht werden. Ihnen wird also ein Gesicht verpasst, eine humane Eigenschaft. Es wird niedlicher, appetitlicher – glauben die Werberinnen und Werber zumindest. Und so bekommen Orangen, Wurstscheiben, Fruchtgummi und Schokolinsen eben Augen, Ohren und Nasen, die ihnen die Käuferinnen und Käufer mit mehr oder weniger Inbrunst wieder abbeißen können.

Verkaufsfördernd? Ja, sagen die Herstellerinnen und Hersteller. Nein, kontert eine soeben im „Journal of Consumer Psychology“ veröffentlichte Studie der Universität Innsbruck. Ihr verknapptes Ergebnis: Konsumentinnen und Konsumenten greifen zwar durchaus zu Lebensmittelgesichtern, essen sie aber ungern. Die psychologische Erklärung: Haben Produkte ein Gesicht, tendieren wir dazu, ihnen menschliche Eigenheiten zuzuschreiben und gestehen ihnen zu, Schmerz zu empfinden. Einen Apfel mit Augen zu essen erscheint uns sodann unmoralisch.

Wobei: Nur, weil wir sie ungern verdauen, wandern sie trotzdem immer wieder in unsere Vorratsschränke, fügen die Forscherinnen und Forscher an. Wie oft allerdings, unterscheide sich auch je nach kulturellem Background und der individuellen Warmherzigkeit. Bevor Sie nun mit den Augen rollen, Hand aufs Herz: Wie halten Sie’s mit der „Menschenfresserei“?

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