Frühstück in Kasachstan.
Expedition Europa

Die Frühstücke der kasachischen Influencerin

Ich habe Europa verlassen und sitze im Zug nach Petropawl im zentralasiatischen Nordkasachstan. Sibirien rückt näher.

Am Morgen fährt der Zug aus der baumlosen kasachischen Steppe in flache lichte Birkenhaine ein, Sibirien rückt näher. Ich bin in Nordkasachstan, der mehrheitlich von ethnischen Russen bewohnten Region des sprachlich ohnehin zweitrussischsten Landes der Welt. Scharfmacher aus Russland reklamieren Nordkasachstan gelegentlich als heimzuholende „russische Erde“.

Schon der Zug Karaganda-Omsk ist eine vollrussische Angelegenheit. Meine Reisegenossen zerfließen in Nostalgie über die Schönheit sibirischer Städte in den Siebzigerjahren. Ohne Putins Krieg direkt anzusprechen, schimpft eine alte Frau auf „Bandera-Ukrainer, die jeden dritten Weißrussen umgebracht haben“, ein alter Mann lobt die russische Armee, „die erst Putin auf Vordermann gebracht hat“. Er dürfte lange keine Nachrichten gesehen haben.

Ein Tag in der Regionalhauptstadt. Die hiesigen Russen sind sich einig, dass Petropawl mit „minus 40“ die kälteste Stadt Kasachstans sei, die Wärme im kasachischen Süden nimmt in ihren Reden mythische Ausmaße an. Eine ältere Eisenbahningenieurin, die mir den Weg erklärt, erwähnt die geförderte Ansiedlung von Südkasachen, „sie fühlen sich hier aber klimatisch unwohl, sie sind Viehzüchter, hier wird aber Weizen angebaut“. Weiters herrscht Einigkeit darüber, dass die in „Kasachstans Verfassung“ umbenannte Leninstraße „die längste ununterbrochene Fußgängerzone der Welt“ bildet. Ich sehe dort viele lateinisch als „Éspresso Bari“ angeschriebene Bobo-Cafés, in denen Designstudentinnen bei Getränken wie „Cappuccino Salted Caramel“ an geometrisch komplexen Zeichnungen feilen, für den Antrag ins Guiness-Buch der Rekorde sehe ich jedoch schwarz – die Fußgängerzone wird vier-, fünfmal von Autostraßen unterbrochen.

Alle, die ich frage, beteuern beflissen ihre Anhänglichkeit an Kasachstan als Hort multinationaler Toleranz, gleichzeitig erlebe ich einige Momente ängstlichen Zwänglertums: Im Hof des Regionalmuseums, wo die Fotoausstellung einer „Anastasia“-Barbie aufgeboten wird, ermahnt der Wachmann eine Mutter, ihr (vorbildlich braves) Kind möge nichts wegschmeißen.

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