Architektur

Wenn das Gerüst zum Raum wird

Keine Architektur der leisen Töne: der Award-Gewinner „Town House“, Teil des Campus der Kingston Universität, London.
Keine Architektur der leisen Töne: der Award-Gewinner „Town House“, Teil des Campus der Kingston Universität, London.Dennis Gilbert
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Der Mies van der Rohe Award ist die höchste europäische Auszeichnung für zeitgenössische Architektur. Nominiert wurden 532 Projekte. Die 40 besten werden derzeit in einer Ausstellung im Architekturzentrum Wien präsentiert.

Seit 2001 ist der Mies van der Rohe Award endlich der offizielle „Preis der EU für zeitgenössische Architektur“. Die Mies van der Rohe Stiftung in Barcelona, die den Preis seit 1988 alle zwei Jahre vergibt, hat sich bei der EU für diese Rolle beworben und den Zuschlag erhalten. Mit einem Preisgeld von 80.000 Euro gehört er neben dem Kiesler- und dem Pritzker-Preis zu den höchstdotierten Architekturpreisen der Welt. Die Nominierungen stammen aus zwei Quellen: auf der einen Seite von den Berufsvertretungen der einzelnen Länder, auf der anderen von unabhängigen Experten. Letztere werden von einem Beirat vorgeschlagen, dem Vertreter von 15 europäischen Architekturmuseen angehören, darunter das Architekturzentrum Wien (AzW). Die Berufsvertretungen nominieren je nach Größe des Landes fünf bis sieben Projekte, die Experten je fünf; und auch der Beirat hat das Recht, bis zu 20 Projekte zusätzlich vorzuschlagen. Die Auswahl der Preise aus diesen Projekten obliegt einer siebenköpfigen Jury, die diesmal aus 532 Projekten zuerst eine Shortlist von 40 Projekten zu wählen hatte. Reduziert auf sieben Finalisten, wurden diese von der Jury vor Ort besucht. Am Ende stehen ein Sieger und eine Auszeichnung für das beste Projekt eines Nachwuchsbüros fest.

Die Europakarte, die dem Award zugrunde liegt, ist etwas eigenwillig: Albanien, die Ukraine und Montenegro gehören dazu, die Schweiz nicht. Großbritannien ist 2022 zum letzten Mal dabei, allerdings mit fulminantem Abschied: Das Siegerprojekt der irischen Architektinnen Shelley McNamara und Yvonne Farrell, die als Grafton Architects firmieren, ist Teil des Campus der Kingston Universität in London. Der Name des Gebäudes, „Town House“, deutet schon an, dass man es hier nicht mit einem normalen Universitätsgebäude zu tun hat. Obwohl sich eine Bibliothek im Kern des Hauses befindet, ist es kein klassisches „Learning Center“, sondern ein offener Ort, an dem auch getanzt, gegessen und Theater gespielt wird. Das wichtigste Element des Hauses ist eine Loggia, die dem Baukörper an der Südseite vorgesetzt ist. Diese Loggia besteht aus einem raffinierten System von Platten und Stützen aus Stahlbeton mit zahlreichen Vor- und Rücksprüngen und Verkröpfungen, die nicht willkürlich sind, sondern nach einem System komponiert, das McNamara und Farrell virtuos beherrschen.

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