Gastkommentar

Machts mehr Morgenthau

Offene Gesellschaften sollten mit den Mitteln der Macht und Diplomatie für Gerechtigkeit kämpfen.

Der Autor:

Robert Schütt (geboren 1979) ist habilitierter Politologe. Er lehrt Geopolitik und Transatlantische Beziehungen an der Diplomatischen Akademie Wien sowie „Theorien der internationalen Politik“ an der Universität Salzburg.

Die Diplomatie hatte es noch nie einfach. Gibt es einen Krieg, wird ihr der Vorwurf gemacht, sie habe versagt. Gibt es Frieden, wird gesagt, dass es keine Cocktail-Plauderei mehr braucht. Ganz so, als ob der Interessensausgleich vom Himmel gefallen wäre. Aber heute liegt das Problem noch tiefer. Dass es die beiden Atommächte, die Vereinigten Staaten und Russland, so ziemlich an den Nullpunkt gegenseitigen Vertrauens geschafft haben, ist töricht. Dass allerdings in Washington und in Moskau (und in anderen Hauptstädten) Diplomatie mittlerweile fast schon ein „Schimpfwort“ ist, wie es George Beebe vom Quincy-Institut kürzlich formulierte, ist für die strategische Stabilität gefährlich.

Darüber zu spekulieren, wie der im Jahr 1904 im bayerischen Coburg geborene und 1980 in New York City verstorbene deutsch-amerikanische Völkerrechtler und Politologe Hans J. Morgenthau zur heutigen weltpolitischen Lage Stellung nehmen würde, ist müßig. Es war eine andere Zeit, und auch die Akteure waren andere. Aber die Art und Weise, wie Morgenthau – der von Hans Kelsen, dem Architekten der österreichischen Bundesverfassung, habilitiert und ebenso weltberühmt wurde – den Grundproblemen der internationalen Politik auf die Schliche kam, ist für das Verstehen von gestern und heute genauso wertvoll wie für das Verstehen von morgen und übermorgen. Morgenthaus politischer Realismus ist durch und durch geprägt: vom Begriff der Macht, von Frieden durch Diplomatie.

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