Altstadt von Kotor, Montenegro
Expedition Europa

Mit Filterkaffee und Brioche nach Montenegro

Lebensqualität misst sich darin, wie oft man im Café sitzt. Meine Mutter denkt darüber anders.

Neulich verbrachten wir die Herbstferien wieder in Montenegro, diesmal ausnahmsweise mit meiner pensionierten Mutter. Das hatte einen Vorteil: Sie half mir mit dem Hüten der Kinder. Aber auch einen Nachteil: Mama betritt Cafés nur mit dem Ausdruck äußerster Todesverachtung. Auf dem Balkan, wo weite Landstriche nichts anderes als Café-Leben aufzubieten haben, ist das unpraktisch. „Lebensqualität misst sich darin, wie viele Tage die Woche man im Café sitzt“, versuchte ich sie zu überzeugen, „sieben Tage macht hundert Punkte.“ Mama lachte mich höhnend aus. Sie hatte ihren eigenen Filterkaffee und Brioche für die ganze Woche dabei.

Herceg Novi – die einzige Küstengemeinde, die 2006 für den Verbleib Montenegros bei Serbien gestimmt hatte – zog traditionell Gäste aus Belgrad und Russland an, Letztere in Form monatelanger oder dauerhafter Aufenthalte. Zu meiner Überraschung war das russischsprachige Bildungsbürgertum, das die „100.000 Stufen“ rauf- und runterstieg, nicht weniger geworden. Das russische Promenaden-Restaurant hatte unter dem Namen „Volga Volga“ neu eröffnet, die russischen Gerichte waren Bruschetta gewichen. Mein liebster Café-Kellner, der früher dezent damit geprahlt hatte, in Moskau den putinistischen TV-Hetzer Wladimir Solowjow bedient zu haben, wollte kein Russisch mehr sprechen.

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