Wolfgang Pauli: Ein Teilchen, 400 Träume

Charles Enz beschreibt die schillernde Persönlichkeit des Physikers Pauli.

Wolfgang Pauli war eines der Genies, die das intellektuell so fruchtbare Wien der Jahr hundertwende hervorbrachte. Biografisch erfasst wurden schon der Physiker Pauli (Charles Enz, Oxford University Press 2002) und der Mystiker Pauli (Ernst Peter Fischer, Herder 2000). Jetzt finden wir den Menschen Pauli dargestellt. Wieder aus berufener Feder, von seinem letzten Assistenten und Wegbegleiter Charles Enz.

Pauli war eine schillernde Persönlichkeit mit ihren Widersprüchen. Im Gymnasium war er vom Mathematikunterricht dispensiert, das Gebotene kannte er ja schon bestens. Mit 18 Jahren war er ein Virtuose der Riemannschen Geometrie, der den ungewohnten Zügen der Einsteinschen Gravitationstheorie nachspüren konnte. Dennoch hat er dann die weitere Entwicklung der Mathematik im 20. Jahrhundert nicht mitgemacht, obgleich sie der Physik einen neuen Schub verliehen hat. Aber geschimpft hat er schon gern auf sie.

Aussagen, die nicht ganz abgesichert waren, ließ er nicht gelten, war aber selbst ein Großmeister der Intuition. Im Buch finden wir ihn als Propheten des Neutrinos. Er hatte dieses Teilchen allein aufgrund seines felsenfesten Glaubens an die tiefe Verwurzelung der Energieerhaltung in allen vernünftigen physikalischen Theorien postuliert - in Opposition zu Niels Bohr, den Enz als Vaterfigur für Pauli schildert: Bohr vermutete, dass in Elementarprozessen die Energieerhaltung verletzt sein könne. Pauli konnte dies nicht glauben und meinte, dann müsse eben ein unsichtbares Teilchen die Energie wegtragen. Es wurde Neutrino genannt und noch zu Lebzeiten Paulis gesehen. Heute ist es einer der wichtigsten Protagonisten der Teilchenphysik, Astrophysik und Kosmologie.

Unfehlbar war Pauli freilich auch nicht, wir erfahren die Glaubensgründe, derentwegen er keine Verletzung der Rechts-links-Symmetrie akzeptieren konnte. Schweren Herzens hat er dann doch Gott als schwachen Linkshänder akzeptiert . . . Das Buch zeigt, wie er ohne Rücksicht auf Tabus stets um neue Erkenntnis rang. Auch blieb er nicht nur beim rational Erfassbaren stehen, arbeitete in seinen letzten Jahrzehnten mit dem Psychologen C. G. Jung zusammen. Paulis Träume wurden eine Fundgrube für die Psychoanalyse, er brachte deren 400 zu Papier. Das Irrationale reizte und amüsierte ihn, so auch der nach ihm benannte Effekt: In der Gegenwart Paulis brach im entscheidenden Augenblick immer etwas von der Technologie zusammen. Ich kann selber bezeugen, dass so etwas geschah, obgleich mir vorher beteuert wurde, dass es nicht geschehen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies alles nur Zufall war, wurde nie ermittelt.

Es ist klar, dass man, um so einer vielschichtigen Persönlichkeit gerecht zu werden, einen eigenen biografischen Stil entwickeln muss. Dies ist Enz dadurch gelungen, dass er die Geschichte in 39 Episoden auflöst, bereichert durch viele Bilder, Zitate aus Aussprüchen, Briefen, Manuskripten und Büchern. Dies ist alles durch Quellenangaben abgesichert, sodass das Buch auch für Historiker von Nutzen sein kann. So ist das Buch in jeder Hinsicht empfehlenswert: Trotz exzellenter Ausführung ist es im Preis erträglich, es ist flüssig geschrieben und liest sich leicht, viele Streiflichter erhellen die faszinierende Persönlichkeit Wolfgang Pauli von verschiedensten Seiten.

Charles Enz

Pauli hat gesagt

Biografie des Nobelpreisträgers Wolfgang Pauli (1900-1958). 168 S., geb., Â 33,00 (Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.