Gastkommentar

Österreichs Gasversorgung muss klimaneutral werden

Replik. Peter Sattlers Argumentation geht in die richtige Richtung und greift doch zu kurz. Gas ist sicher keine „Übergangsenergieform“.

In seinem Gastkommentar „So könnte Österreich die Gashoheit zurückerobern“ fordert Unternehmensberater Peter Sattler (16.2., „Die Presse“) eine stärkere heimische Erdgasförderung. Seine Argumentation ist zwar in vielen Punkten richtig, aber sie ist zu kurz gegriffen. Denn Gas ist mehr als nur Erdgas. Und Gas ist auch keine Übergangsenergieform, wie Sattler schreibt, sondern ein klimaneutraler Bestandteil unserer Energiezukunft.

Der Autor

Michael Mock ist Geschäftsführer des Fachverbands Gas Wärme.

Diese Replik bezieht sich auf: https://www.diepresse.com/6251929/so-koennte-oesterreich-die-gashoheit-zurueckerobern

Tatsächlich ist mehr Unabhängigkeit von russischem Gas anstrebenswert. Vor rund 20 Jahren lag der Anteil an heimischem Gas bei ca. 25 Prozent, aus Russland stammten damals 50 Prozent, der Rest kam aus anderen Ländern. Mittlerweile hat das in Österreich geförderte Erdgas nur noch einen Anteil von knapp acht Prozent.

Als Fachverband Gas Wärme sehen wir eine verstärkte Produktion von Erdgas in Österreich als notwendigen Schritt für mehr Energieunabhängigkeit, aber eben nur als Teil der Lösung. Klimawandel und Klimaziele verlangen unter Aufrechterhaltung unseres Wohlstands in Österreich vor allem eines: die Umstellung auf klimaneutrale Gase. Wir müssen also die künftige Gasversorgung von dieser Position aus denken und umsetzen. Nicht irgendwann, sondern sofort.

Erdgas klimaneutral machen

Grundsätzlich geht Peter Sattlers Argumentation in die richtige Richtung: Mittelfristig ist eine höhere Förderquote für Erdgas aus Österreich anzustreben, um unsere Energieversorgung für Haushalte und Industrie abzusichern. Das verschafft mehr Unabhängigkeit vom russischen Gas. Unsere heimischen Erdgaspotenziale im Weinviertel oder in Oberösterreich würden immerhin ausreichen, um Österreich für viele Jahrzehnte zuverlässig mit inländischem Erdgas zu versorgen. Natürlich ist auch österreichisches Erdgas nicht klimaneutral – es sei denn, es wird zu Wasserstoff umgewandelt. Moderne Technologien machen es möglich, Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoff aufzuspalten. Wird dieser Kohlenstoff in fester oder gasförmiger Form gespeichert oder weiterverarbeitet, ohne dass er in die Atmosphäre gelangt, entsteht auf diese Weise ein klimaneutrales Gas: blauer Wasserstoff.

Mehr grünes Gas aus Abfällen

Zugleich muss jedoch auch die Produktion von Biogas massiv ausgebaut werden. Für die Energiezukunft Österreichs ist es entscheidend, das enorme heimische Biogaspotenzial zu heben und noch viel mehr grünes Gas aus landwirtschaftlichen Abfällen zu gewinnen. Wir benötigen jetzt große industrielle Biogasanlagen, die kosteneffizient produzieren: Mit dem erneuerbaren Gas aus landwirtschaftlichen Abfällen und Reststoffen könnten in Zukunft alle Haushalte, die schon heute mit Gas heizen, mit grünem Gas klimaneutral versorgt werden.

Hinzu kommen überschüssiger Wind- und Sonnenstrom. Daraus kann grüner Wasserstoff produziert und durch das Gasnetz zu den Betrieben transportiert werden, in denen er benötigt wird.

Fazit: Wir müssen unsere erneuerbaren Gaspotenziale heben, dafür braucht es Energie- und Technologie-Offenheit.

Österreich muss seine Gasversorgung möglichst breit aufstellen. Dafür braucht es nicht nur Bohrlöcher, sondern auch neue Ideen, Forschung und Mut. Das Fundament einer nachhaltigen Gasversorgung sind vielfältige Gase: grüner und blauer Wasserstoff, Biogas oder Biomethan. Wir müssen die Gasversorgung der Zukunft also auf viele Beine stellen, um gut versorgt zu bleiben und unabhängiger zu werden.

Energieautark werden wir nie

Unabhängiger zu sein bedeutet allerdings nicht Energieautarkie. Die Idee eines energieautarken Österreichs ist nicht realistisch, es sei denn, wir verzichten auf Industrie und Wohlstand. Österreich ist einfach nicht groß genug dafür. Was spricht außerdem gegen den Import von Wasserstoff oder Biomethan aus europäischen Nachbarländern, aus Nordafrika oder anderen Regionen der Welt, in denen es erneuerbare Energien im Überfluss gibt?

Die aktuelle „Gaskrise“ hat uns gelehrt, was jeder Kaufmann weiß: dass man sich nicht von einem Lieferanten abhängig macht. Das bedeutet aber nicht, dass man sich nie wieder beliefern lässt. Österreichs künftige Versorgungssicherheit – heute baut sie noch überwiegend auf Erdgas, zukünftig auf klimaneutrale Gase – ist dann gewährleistet, wenn wir unsere Gasversorgung diversifizieren.

Österreichs Energiezukunft mit klimaneutralen grünen Gasen erfordert:

• Wir müssen inländische Erdgasförderung und Erschließung neuer Gasquellen in Österreich möglich machen. Mit den bisher noch nicht genutzten Vorkommen könnten wir Österreich über Jahrzehnte versorgen.

• Wir müssen Potenziale von grünem Gas rasch heben. Dafür brauchen wir ein Fördersystem, das mit der Ökostromförderung vergleichbar ist.

• Investitionen in die Gas-Infrastruktur sind notwendig, um Gastransportflüsse aus nicht russischen Quellen nach Österreich möglich zu machen.

• Ein abgestimmter europäischer Ausbau der Gasinfrastruktur, vor allem in unseren vorgelagerten ausländischen Netzen (Deutschland und Italien), ist unumgänglich. Ohne diesen Ausbau erscheinen auch Investitionen in das österreichische Fernleitungsnetz nur bedingt sinnvoll. Österreichs Politik muss sich daher mit aller Kraft dafür einsetzen, um länderübergreifende Lösungen zu finden.

Setzen wir all das um, erreichen wir die Klimaziele und schaffen eine sichere Energieversorgung für Österreichs Zukunft.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2023)

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