Gastkommentar

Wo Kärnten noch immer anders ist

Landtagswahl. Eine Eigenart des Kärntner Wahlrechts führt dazu, dass manche Wähler ihre Stimme ins Blaue abgeben müssen.

Der Autor:

Stefan Brocza (* 1967) ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen.

15 Prozent aller Wahlberechtigten bei der Kärntner Landtagswahl geben ihre Stimme zu einem Zeitpunkt ab, zu dem noch nicht alle Kandidatenlisten vorliegen. Das heißt, sie sind gezwungen – mehr oder weniger –, ins Blaue hineinzuwählen.

Grund dafür ist eine Besonderheit des Kärntner Wahlrechts: Die sogenannten Verbandswahlvorschläge, also die Wahlvorschläge für das zweite landesweite Ermittlungsverfahren zur Mandatsvergabe. Sie sind gemäß Paragraf 48 a der Kärntner Landtagswahlordnung „spätestens am dritten Tag vor dem Wahltag“ zu veröffentlichen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist also nicht fix, wer im zweiten Ermittlungsverfahren überhaupt zur Wahl steht.

Nun hat man aber in Kärnten – neben der bundesweit ebenfalls üblichen Briefwahl – noch eine weitere Besonderheit: einen vorgezogenen Wahltag, bei dem es den Bürgerinnen und Bürgern möglich ist, bereits neun Tage vor dem eigentlichen Wahlsonntag in ein Wahllokal ihrer Gemeinde zu gehen und dort ihre Stimme abzugeben. Eingeführt wurde diese Maßnahme, um die allgemeine Wahlbeteiligung zu erhöhen, übrigens von SPÖ, ÖVP und Grünen 2008 – ohne Zustimmung der damals stimmenstärksten FPÖ. Bei diesem Beschluss hat es offensichtlich niemand der Mühe wert gefunden, auch die Frist zum Vorliegen der Verbandswahlvorschläge anzupassen. So kommt es, dass zwar landesweit neun Tage vor der Wahl ein vorgezogener Wahltag stattfindet, zu diesem Zeitpunkt jedoch nur die vier regionalen Kreiswahlvorschläge vorliegen, nicht aber die landesweiten Verbandsvorschläge.

Demokratiepolitisch ist es jedenfalls bedenklich, dass ein Teil der Wählerinnen und Wähler in Kärnten im Moment ihrer Stimmabgabe bei der Landtagswahl nicht genau weiß, wer überhaupt kandidiert. Dass es dennoch möglich ist, wird einerseits damit begründet, dass es ja immer noch ein Listenwahlrecht sei, man also immer noch eine Partei und keinen bestimmten Kandidaten wählen würde. Und zum anderen, dass – Achtung: eine weitere Besonderheit Kärntens! – auf einer Verbandswahlliste nur jemand kandidieren kann, der bereits auf einer der vier Kreiswahllisten seiner Partei steht.

Die Wähler könnten also zumindest erahnen, wer im zweiten Ermittlungsverfahren ein Mandat erlangen könnte: Sie müssten sich nur die jeweils bis zu 36 Kandidatinnen und Kandidaten jeder wahlwerbenden Partei auf den vier Kreiswahlvorschlägen ansehen (also maximal 144 Personen pro Partei) und raten, wer davon auf der Verbandswahlliste (maximal 72 Personen) aufscheinen wird.

Nicht sehr wählerfreundlich

Dass das alles nicht besonders wählerfreundlich ist, steht außer Zweifel. Dass das auch rechtlich auf tönernen Füßen steht, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Immerhin ist es denkmöglich, dass jemand seine Wahlentscheidung eben genau davon abhängig macht, welche konkreten Personen (nicht welche Parteien) kandidieren.

Auch die Tatsache, dass man in Kärnten bis zu drei Vorzugsstimmen (auf der Ebene der Kreiswahlvorschläge) vergeben kann, spricht dafür, dass man den einzelnen tatsächlichen Kandidaten politisch mehr Gewicht zumisst als bei einem üblichen Listenwahlrecht.

Und schließlich ist die stetig wachsende Zahl von vorzeitig abgegebenen Stimmen (15 Prozent der Wahlberechtigten bedeuten rund 20 Prozent der tatsächlich abgegebenen Stimmen) nicht wegzuargumentieren: Fünf Prozent der abgegebenen Stimmen sind für den Einzug in den Landtag nötig, rund 20 Prozent werden unter fragwürdigen Umständen abgegeben. Wie lang wird es wohl noch dauern, bis jemand auf die Idee kommt, so eine Wahl anzufechten?

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