Tagebücher

Hellsichtiger Chronist einer schlimmen Zeit

Die Tagebücher des Spitzenbeamten Heinrich Wildner 1938–1944 sind „übersetzt“.

Seit dem Jahr 2013 beschäftigt sich die Historikerin Gertrude Enderle-Burcel mit dem Wiener Spitzendiplomaten Heinrich Wildner (1879–1957) und dessen schriftlichem Nachlass. Das Problem dabei: Der akribische Tagebuchschreiber wandte die Gabelsberger-Stenografie an – eine mühsame „Übersetzung“ durch Erika Gonsa dauerte ihre Zeit. Dabei lagerten schon zahlreiche Typoskripte im Staatsarchiv, die von Wildner offenbar selbst diktiert wurden.

Aber erst seine handschriftlichen Aufzeichnungen offenbaren Notizen und Bemerkungen, die ihn als scharfen, oft auch sarkastischen Beobachter der NS-Zeit ausweisen. Der Diplomat, konservativ, katholisch-antisemitisch, eine Stütze des „Ständestaates“, wurde nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 natürlich sofort zwangspensioniert, aber er hielt seine Kontakte als Privatier und gelangte so zu Informationen, die Normalbürger nicht haben konnten. Den Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass Wildner schon 1941 wusste, was im KZ Mauthausen geschah: „Der Schornstein ... rauche Tag und Nacht“, erzählte ihm ein Bekannter. Das ist deswegen bemerkenswert, weil Viktor Klemperer angeblich erst 1942 davon Kenntnis erlangte.

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