Gastkommentar

Kapitalmarkt: Neue Rollenverteilung

Peter Kufner
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Gesetzesänderung bringt das Ende des Bankenmonopols für Wertpapierdienstleistungen.

Die meisten Wertpapierdienstleistungen waren in Österreich bisher Banken vorbehalten. Wertpapierfirmen waren darauf beschränkt, als Intermediäre zwischen Banken und Kunden zu fungieren. Das neue Wertpapierfirmengesetz hat die Situation fundamental geändert.

Bisher galten für europäische Wertpapierfirmen größtenteils die gleichen Eigenmittelanforderungen wie für Großbanken. Das bedeutet, dass der (europäische) Gesetzgeber keine Rücksicht auf die Besonderheiten von Wertpapierfirmen im Vergleich zu Banken genommen hat. Die einschlägigen Anforderungen an die Eigenmittelausstattung sind auf das Einlagengeschäft und die Kreditvergabe zugeschnitten und passen für Wertpapierfirmen nur bedingt.

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Denn Wertpapierfirmen verfügen über keine großen Kreditportfolios und nehmen keine Einlagen entgegen. Daher wurde auf EU-Ebene ein neues Eigenmittelregime für Wertpapierfirmen beschlossen. Die entsprechende Verordnung (Investment Firm Regulation) und Richtlinie (Investment Firm Directive) sind bereits seit 26. Juni 2021 in Kraft.

Mit 1. Februar 2023 wurden die neuen Vorgaben – mit fast 20-monatiger Verspätung – auch in Österreich umgesetzt und das neue Wertpapierfirmengesetz eingeführt. In diesem Zusammenhang wurden auch das Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG) und das Bankwesengesetz (BWG) geändert.

Jahrzehntealtes Dogma fällt

Das Ergebnis ist eine bemerkenswerte Neuverteilung der Rollen von Banken und Wertpapierfirmen in Österreich, die das Potenzial hat, das Universalbankensystem nachhaltig zu verändern. Bis dato ist diese (mögliche) Zeitenwende aber noch relativ unbeachtet geblieben. Kern der neuen Regelung ist die Aufgabe eines jahrzehntealten Dogmas. Bisher konnten Wertpapierfirmen in Österreich – trotz umfangreicher Möglichkeiten im europäischen Aufsichtsrecht, Stichwort MiFid II – ihre Kunden nur bezüglich Finanzinstrumenten beraten, Vermögensverwaltungsdienstleistungen erbringen und Kundenaufträge zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren annehmen sowie zur Ausführung an Banken weiterleiten. Damit waren Wertpapierfirmen bisher auf die Rolle eines Intermediärs beschränkt, während die Ausführung der Wertpapiergeschäfte Banken vorbehalten war.

Der neue Rechtsrahmen hat dies nun fundamental geändert. Im Einklang mit den europäischen Regelungen steht fortan auch österreichischen Wertpapierfirmen der gesamte Katalog an Wertpapierdienstleistungen gemäß MiFid II offen. Damit ist das Bankenmonopol in diesem Bereich gefallen.

Mit entsprechender WAG-Konzession dürfen nun auch Wertpapierfirmen Kundengelder entgegennehmen, was die Erbringung vieler Wertpapierdienstleistungen überhaupt erst ermöglicht. Dies betrifft vor allem den Handel auf eigene oder fremde Rechnung mit Wertpapieren (Effektengeschäft), das Verwahren und Verwalten von Wertpapieren (Depotgeschäft), das Begleiten von Fremdemissionen (Loroemissionsgeschäft) und den Handel mit ausländischen Zahlungsmitteln (Devisengeschäft). Für Wertpapierfirmen ergeben sich dadurch völlig neue Geschäftsmöglichkeiten, wie das Tätigwerden als klassischer Broker angloamerikanischer Prägung. Damit einher gehen aber hohe regulatorische Anforderungen.

Wertpapier- oder Bankgeschäft

Die neuen Regelungen sehen vor, dass Unternehmen, deren Tätigkeiten vollständig unter das WAG 2018 fallen, künftig nicht mehr als Banken gemäß BWG konzessioniert werden dürfen – und damit auch nicht dem BWG unterliegen. Eine Ausnahme gilt aufgrund ihrer Systemrelevanz für bankähnliche Wertpapierfirmen mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Mrd. Euro. Der neue regulatorische Ansatz differenziert klar zwischen Wertpapiergeschäft und Bankgeschäft, für die jeweils unterschiedliche Regelungen gelten. Damit sind Wertpapierdienstleistungen keine exklusiven Bankgeschäfte mehr, sondern Finanzdienstleistungen, die gleichermaßen von Wertpapierfirmen und von Banken erbracht werden dürfen.

Es ist damit zu rechnen, dass mittelfristig ein Ruck durch den österreichischen Kapitalmarkt gehen wird, sobald Wertpapierfirmen von den neuen Geschäftsmöglichkeiten Gebrauch machen. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Unternehmen könnten künftig wesentlich leichter Kapitalmarktfinanzierungen statt klassischer Kreditfinanzierungen umsetzen. Angesichts der klaren regulatorischen Abgrenzung zwischen Wertpapiergeschäft und Bankgeschäft ist davon auszugehen, dass der internationale Trend, Wertpapierdienstleistungen durch spezialisierte Investment Firms zu erbringen, auch in Österreich an Bedeutung gewinnen wird. Schließlich sind europaweit immer mehr Neo-Broker als Wertpapierfirmen konzessioniert. Auch internationale Investmentbanken betreiben ihr Wertpapiergeschäft in Europa zunehmend auf Basis von MiFid-II-Konzessionen. Der Paradigmenwechsel im österreichischen Wertpapierrecht könnte damit in den nächsten Jahren zu erheblichen Bewegungen und einiger Dynamik auf dem Markt führen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DIE AUTOREN

RA Dr. Michael Kollik und RA Mag. Martin Pichler sind Gründungspartner der im Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Wiener Wirtschaftskanzlei Akela.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2023)

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