Vermittler mit Schlagseite

Die Türkei meldet sich mit großem Selbstbewusstsein auf der Weltbühne zurück.

Im Kalten Krieg, da war es halt noch einfach: Hier der Westen, da der Warschauer Pakt – und die Zugehörigkeit der Türkei als wichtiges Nato-Mitglied ist eindeutig. Das Ende der Blöcke hat Ankara kalt erwischt. Von PKK-Terror und internen (Wirtschafts-)Krisen gebeutelt, hatte die Türkei Mühe, ihren neuen Platz in der Welt zu finden. Wobei man nicht einmal behaupten kann, sie hätte ihn gesucht.

Hand in Hand mit dem Wirtschaftsboom verstand es die islamisch-konservative Regierung geschickt, das Land aus dem Abseits zu holen. Unsinkbarer Flugzeugträger der Nato? Das war gestern. Israel–Syrien, Libanon, Iran, kaum ein Konflikt im Nahen Osten, in dem sich Ankara nicht als Vermittler versucht. Rasend erfolgreich war man bisher zwar nicht, auch die von Ankara gern als Sternstunde türkischer Diplomatie verkaufte Einigung mit dem Iran zur Uran-Anreicherung im Ausland hätte am grundlegenden Problem nichts geändert: an dem iranischen A-Bomben-Programm.


Aber es geht Erdoğan vor allem auch um die Message: Wir sind wieder da, mit der Türkei muss man rechnen. Wenn der Premier in guter osmanischer Tradition sagt, er strebe mit den arabischen Staaten eine Union an, die „die ganze Welt gestalten“ könne, darf man davon ausgehen, dass er das genau so meint.

„Wir können mit allen reden“, so stellt die Türkei gerne ihre Vermittlerqualitäten heraus. Je mehr sich Erdoğan mit rüden Worten gegenüber Israel bei der „arabischen Straße“ profiliert und sich Irans Regime anbiedert, desto weniger stimmt das. Die Beziehungen zu Israel scheinen irreparabel geschädigt (woran Israel freilich nicht ganz schuldlos ist); und dass die US-Diplomatie Erdoğans Türkei immer mehr misstraut, weiß man dank WikiLeaks mittlerweile ebenfalls.

helmar.dumbs@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Erdogan wünscht sich "islamische Union"
Außenpolitik

Erdogan wünscht sich "islamische Union"

Der türkische Regierungschef fordert die arabischen Völker auf, sich auf die historischen Gemeinsamkeiten zu besinnen. Wenn man zusammenhalte, "hat diese Region das Potential, die ganze Welt zu gestalten".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.