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Im Gespräch mit den Expert:innen des Landes

Mercosur-Handelsabkommen: „China ist längst unterwegs.“

(c) Getty Images
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Handelsabkommen werden in Österreich stets kontroversiell diskutiert – Im „Presse"-Podcast plädiert Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, für eine vernünftige Auseinandersetzung, jenseits von politischem Kalkül und erklärt, warum Europa diese einmalige Chance nutzen sollte.

Die EU wäre weltweit der erste Handelspartner, der mit den Mercosur-Staaten in Südamerika ein Wirtschaftsabkommen abschließt, das den gegenseitigen Handel für beide Partner vereinfacht. Das bereits in anderen Abkommen dieser Art erprobte Erfolgsrezept dafür ist der Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen – etwa auch die Öffnung öffentlicher Beschaffungsmärkte oder die vereinfachte Anerkennung technischer Standards. Teil der Partnerschaft ist auch eine verstärkte politische Kooperation, etwa in Menschenrechts-, Bildungs-, Migrations- und Umweltschutzfragen. Warum Europa diese historische Chance dringend nutzen sollte, bevor es andere tun, wie etwa China, erklärt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, im „Presse“-Podcast.

Die EU und der Mercosur-Raum verhandeln die Rahmenbedingungen und Details des Abkommens bereit seit 20 Jahren. Wann es zur Ratifizierung kommen wird, ist derzeit noch unklar, denn das Handelsabkommen stößt in einigen EU-Ländern, insbesondere in Österreich, auf Widerstand. Kritiker – in erster Linie Umweltschutzverbände und die heimische Landwirtschaftslobby – sehen im EU-Mercosur-Abkommen eine Gefahr für Umwelt und Menschenrechte. Neumayer sieht diese Sorge unbegründet und meint: „Wir sind auch weiter Herr im eigenen Haus“, Europa – und jeder einzelne Mitgliedsstaat – bestimme also auch trotz des Abkommens, welche Produkte auf den heimischen Märkten angeboten werden könnten. Die Partnerschaft mit Südamerika würde, wie bereits viele Freihandelsabkommen zuvor, die Wirtschaft in Europa und Österreich ankurbeln, zahlreiche Arbeitsplätze schaffen und damit den Wohlstand in Europa sichern, wovon nicht zuletzt auch Österreich profitieren wird.

Beziehung mit Europa

Mercosur steht für Mercado Común del Sur. Der „gemeinsame Markt des Südens“ ist eine Wirtschaftsorganisation, die die Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay vereint. Der Mercosur-Block mit seinen 266 Millionen Einwohnern ist der elftwichtigste Markt außerhalb der EU.

Seine ökonomische Bedeutung für die Europäische Union lässt sich in Zahlen fassen. Gemeinsam stehen die EU (ohne Intra-EU-Handel) und Mercosur für 14,5 Prozent des Welthandels an Waren und Dienstleistungen. Sie erbringen 23,7 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. 2021 erreichten die europäischen Warenexporte in den Mercosur-Raum einen Wert von 44,6 Milliarden Euro und die Importe aus Mercosur 43,5 Milliarden Euro. Mit einem Anteil am Gesamthandel von 16,2 Prozent ist die EU nach China der zweitbedeutendste Warenhandelspartner für Mercosur.

Bedeutung für Österreich

Im Mercosur-Raum sind etwa 1400 österreichische Unternehmen aktiv, wovon rund 230 mit einer Niederlassung oder Produktion vertreten sind. 2022 erreichten die heimischen Warenexporte nach Mercosur einen Wert von 1,34 Milliarden Euro und die Importe aus der Region betrugen 689,1 Millionen Euro, wobei ein Großteil auf Brasilien entfällt. Österreichische Direktinvestitionen in Brasilien und Argentinien betrugen 2021 zusammengerechnet 1,1 Milliarden Euro, brasilianische und argentinische Investitionen in Österreich 1,2 Milliarden Euro (für Paraguay und Uruguay sind hierzu keine Daten erfasst). Laut Europäischer Kommission sichern EU-Exporte nach Mercosur aktuell etwa 32.000 Arbeitsplätze in Österreich.

Das Handelsabkommen

Um die Handelsbeziehungen weiter zu vertiefen, haben die EU und die Mercosur-Staaten am 28. Juni 2019 eine grundsätzliche Einigung für ein Assoziierungsabkommen erzielt, bestehend aus einer Freihandelsvereinbarung und politischer Kooperation. Damit das Abkommen in Kraft treten kann, müsste es in weiterer Folge durch die Mercosur-Staaten, die EU und ihre Mitgliedstaaten unterzeichnet und ratifiziert werden. Für die Ratifikation braucht es auf EU-Ebene die Zustimmung des Europäischen Parlaments sowie des Fachministerrates und in Österreich einen Beschluss des Ministerrates, die Zustimmung des Nationalrates und die Unterschrift des Bundespräsidenten.

Zur Person

Christoph Neumayer ist seit 2011 Generalsekretär der Industriellenvereinigung, wo er zuvor bereits als Pressereferent und Chefredakteur vom „Pressedienst der Industrie“ tätig war. An der Universität Wien studierte er Geschichte und Kommunikationswissenschaften. Außerdem hat er mehrere postgraduale Managementausbildungen abgeschlossen. Er ist Mitglied des Executive Committee von BusinessEurope, dem europäischen Industrie- und Arbeitgeberverband, sowie im Vorstand der Ludwig Boltzmann Gesellschaft.

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