Gastkommentar

Die Zukunft des Presserats in Gefahr

Medien. Die Regierung ist dringend gefordert, die Förderung des Presserats aufzustocken, um die Weiterarbeit zu ermöglichen.

Der Autor

Golli Marboe, Medienmanager, Journalist und Autor des Buchs „Notizen an Tobias: Gedanken eines Vaters zum Suizid seines Sohnes“.

Einer der Grundpfeiler jeder starken Demokratie sind unabhängige Medien“, sagt Věra Jourová, EU-Kommissarin für Werte und Transparenz. In Österreich hat dieser Grundpfeiler in jüngster Zeit ein paar unschöne Risse bekommen – Hausdurchsuchungen in den Büros von Medienmanagern sind in der westlichen Welt doch sehr ungewöhnlich. Aber auch die publik gewordenen Chats von mehreren Chefredakteuren mit Politikern zeigen, dass es in puncto Medienethik noch Nachholbedarf gibt.

Daher ist es umso erstaunlicher, dass die staatliche Förderung des Presserats, der zentralen Ethik-Instanz für die Printmedien und deren Online-Seiten, nicht ausreichend angehoben werden soll. Dabei ist die Bilanz des Presserats durchaus beachtlich: In den vergangenen zehn Jahren hat die Selbstkontrolleinrichtung 3372 Fälle behandelt, in 326 dieser Fälle wurden Ethikverstöße festgestellt. Allein wegen der Veröffentlichung eines Videos, in dem die Tötung einer Frau im Zuge des Terroranschlags von Wien zu sehen war, trafen über 1500 Beschwerden ein. Die häufigsten behandelten Themen betrafen den Persönlichkeitsschutz, den Schutz gesellschaftlicher Gruppen vor Diskriminierung, die Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten sowie das Gebot, Nachrichten korrekt zu recherchieren und darzustellen.

Jeder kann den drei Senaten des Presserats, die die Entscheidungen im konkreten Einzelfall treffen, einen potenziellen Ethikverstoß melden; ein kurzes E-Mail mit einem Link zu dem beanstandeten Artikel genügt.
Der Gesetzesentwurf zur Förderung des Qualitätsjournalismus sieht zwar vor, den Fixbetrag für den Presserat von 150.000 Euro um 25 % auf 187.500 Euro anzuheben. Das greift jedoch zu kurz, da die Förderung ab 2010 nicht angepasst wurde. Seit damals liegt allein die Inflation bei 41,6 % und wird für Anfang 2024, wenn das Gesetz in Kraft treten soll, bei fast 50 % erwartet.

Hinzu kommt, dass der Presserat sehr sparsam gewirtschaftet hat und Rücklagen bilden konnte. Durch die massive Zunahme des Arbeitsaufwands und die damit verbundenen Kosten sind diese Rücklagen nun aufgebraucht. Um die Zukunft der Selbstkontrolleinrichtung auf derzeitigem Niveau langfristig abzusichern wäre ein wertgesicherter Förderungsbetrag von 300.000 Euro jährlich nötig. Diese dringend benötigten Mittel sind angesichts der sonstigen Ausgaben der öffentlichen Hand im Bereich der Medienförderungen und Regierungsinserate – es geht um dreistellige Millionenbeträge – in Wahrheit eine quantité negligeable.

Nur drei Mitarbeiter

Darüber hinaus gilt es zu betonen, dass das Budget des Presserats ausschließlich für den Bürobetrieb der Geschäftsstelle mit derzeit drei Mitarbeitern benötigt wird. Die Vorsitzenden und die Mitglieder der drei Senate des Presserats arbeiten ehrenamtlich und ohne Aufwandsentschädigung. Die 30 journalistischen Senatsmitglieder bekommen die für die Presseratsarbeit erforderliche Zeit von ihren Medien zur Verfügung gestellt – ein wertvoller Realbeitrag. Auch die sechs Träger des Presserats, zu denen die wichtigsten Journalisten- und Verlegerorganisationen zählen, beteiligen sich finanziell mit jährlich 56.000 Euro.

Regierung und Parlament sind dringend gefordert, die Förderung des Presserats aufzustocken, um dieser Institution der Selbstkontrolle der Medien die effiziente Weiterarbeit zu ermöglichen. Es steht nicht nur die Glaubwürdigkeit der Medien, sondern auch jene der Politik auf dem Spiel.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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