Culture Clash

Panierquoten und rassistische Zuschüsse

Lachen ist gut − aber die sprungbereite kollektive Feindseligkeit gegen alles, was mit der FPÖ zu tun hat, ist kontraproduktiv.

Wenig hat die Kritik an der FP-Beteiligung in der niederösterreichischen Regierung so beflügelt, wie die im Arbeitsübereinkommen skizzierte Wirtshausprämie, für die unter anderem „ein traditionelles und regionales Speisenangebot“ als Voraussetzung genannt wird. Auf Twitter war sofort klar, dass das eine Spitze gegen Migranten sei, zumal die FPÖ ja schon Döner („machen dick“) oder Kebabstände („unhygienisch“) ins Visier genommen hätte. Das Satiremagazin „Tagespresse“ hat sogar Geld in die Hand genommen, um falsche Briefe an Gastronomen zu verschicken, die jenen den Pranger androhen, die eine Panierquote nicht erreichen oder undeutsche Ausdrücke auf die Speisekarte setzen.

Eh lustig. Mich wundert es trotzdem. Als Tirol im Jahr 2019 eine Wirtshausprämie eingeführt hat, gab es weder Spott noch Häme. Und schon seit 1994 gibt es den, vom Land Niederösterreich – bisher völlig unkritisiert – geförderten Verein „NÖ Wirtshauskultur“, der dem Wirtshaussterben abhelfen soll. Zu den Aufnahmebedingungen für Mitgliederbetriebe gehören „regionstypische Speisen“. Seit Jahren vergibt das Land Wirtshausförderungen, die Mitgliedschaft im Verein ist Voraussetzung dafür. Die Twitteria hat das offenbar bisher verschlafen.

Oder muss etwas nur mit der FPÖ zusammenhängen, damit es sogleich absurd und empörend wird? Zum Beispiel auch der neue NÖ-Heizkostenzuschuss. Weil er nur für EU-Bürger (und alle Asylberechtigten) gilt, protestierte SOS Mitmensch − eine Organisation, die immerhin einen guten Ruf zu verlieren hat − gegen diese „rassistische Konstruktion“. Der Zuschuss diskriminiert wohl Drittstaatler – es wird Sache der Gerichte sein, das zu überprüfen −, aber rassistisch ist er nach keiner der gängigen Interpretationen dieses Begriffs.

Ich will damit nicht sagen, dass die FPÖ harmlos wäre. Politiker, die in ihrem Biotop trotzige Nostalgiegefühle für die Abscheulichkeiten des Nazi-Regimes dulden, machen mich misstrauisch. Ebenso der menschenverachtende Tonfall, den man so oft von Freiheitlichen, gerade aus Niederösterreich, hört. Aber gerade deshalb bräuchte es seriöse Kritik und kein johlendes Draufdreschen beim kleinsten Anzeichen einer vermeintlichen Unanständigkeit.

Denn Aufregung regt nicht auf. Übertreibungen stumpfen ab (wer zu oft „Wolf“ ruft?). Und wer in der politischen Auseinandersetzung mehr die Emotion als die Ratio bedient, wird zu einem Teil jener Entwicklung, die er zu bekämpfen vorgibt, und macht sich gemein mit den Verächtern. Das ist nicht hilfreich in einer Zeit wachsender Unduldsamkeit.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2023)

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