Der schöne Schutz

Bei Gefahr kümmert es niemanden, wie ein Hochwasserschutz aussieht. Halten muss er. Das heißt nicht, dass er in Trockenzeiten nicht auch etwas fürs Auge sein kann. Wie etwa im niederösterreichischen Persenbeug an der Donau.

Von jeher war der Donauabschnitt zwischen Persenbeug und Gottsdorf gefürchtet. Wilde Strudel, Wirbel und Untiefen machten die „Böse Beuge“ zu einer Herausforderung für die Schiffer, ehe ab dem 18. Jahrhundert die bedrohlichsten Felsen gesprengt wurden und schließlich Ende der 1950er-Jahre das Kraftwerk Ybbs-Persenbeugzu einem Sinnbild für die Macht des Menschen über das Wasser wurde. Aber das Leben am Strom birgt bis heute Gefahren. Die Kombination von Tauwetter und Regen sorgt regelmäßig für Alarmbereitschaft. Die nach der Jahrhundertflut von 2002 im großen Stil in Angriff genommenen Hochwasserschutzbauten sind noch nicht lückenlos umgesetzt. Die Gemeinde Persenbeug-Gottsdorf konnte bereits einen ersten wichtigen Abschnitt zu Ende führen, für den zweiten haben Bund und Land die Mittel noch nicht freigegeben.

Es ist in Österreich nicht üblich, besondere Überlegungen auf die Gestaltung technischer Infrastrukturbauten zu verwenden. Kein Wunder, dass vorerst die Planung des Hochwasserschutzes an der Donau ohne architektonische und landschaftsplanerische Kompetenzen in Gang kam. Wasserbauingenieure sind darin geschult, die Kraft des Wassers mit allen technischen Finessen in die richtigen Bahnen zu lenken. Der Großteil davon – Pumpwerke, Fundierungen und Drainagen – tritt ohnedies nicht zutage. Den sichtbaren Dämmen, Schutzmauern und Wänden, in die bei Hochwassergefahr mobile Schutzelemente eingehängt werden, gesteht man zu, zwar nützlich, aber nicht schön sein zu müssen. Gerade in den reizvollen Landschaften des Nibelungengaus und der Wachau gänzlich ohne Gestaltungskompetenz zu agieren erschien wohl auch den zuständigen Landesbehörden fahrlässig, und so schlug man den Gemeinden Architekten und Landschaftsplaner vor, die für die Gestaltung der sichtbaren Elemente Sorge tragen sollten. Bürgermeister Manfred Mitmasser erinnert sich daran, dass er anfangs wenig darüber erbaut war, sich neben den Ingenieuren auch noch mit Architekten befassen zu müssen. War die Bauaufgabe doch beieiner pragmatisch ingenieurbaumäßigen Herangehensweise schon aufwendig und teuer genug. Immerhin hatte die Gemeinde 20 Prozent der Kosten zu tragen. Heute ist er froh darüber, einen hartnäckigen Architekten an seiner Seite gehabt zu haben.

Das zugeordnete Gestalterduo, der Wiener Architekt Karl Langer und der Landschaftsplaner Georg Schumacher, begnügte sich nicht mit der Rolle der Mauer-Verschönerer. Konfrontiert mit den Vorstellungen der Ingenieure und den örtlichen Gegebenheiten, erstellten sie statt eines Vorentwurfes eine Bestandscharakteristik. Diese illustrierte offenbar verständlich genug, welche Auswirkungen die geplanten Maßnahmen ohne gestalterische Intervention hätten. Parallel dazu entwickelten sie Maßnahmen zur besseren Integration des Hochwasserschutzes in die Landschaft und stellten Überlegungen zu Ausbildung der Übergänge zwischen den einzelnen Bauteilen an.

Dabei beschränkten sich Langer und Schumacher nicht auf die reine Formgebung einzelner Elemente, sondern bedachten stets die Auswirkungen des Gesamten auf Festland wie Flusslandschaft. Es ging um eine architektonische Haltung, die einerseits der Landschaft gerecht wird, andererseits aber auch den Sinn der technischen Zweckbauten nicht verleugnet und auf lange – auch optische – Haltbarkeit abzielt. Sie nahmen Einfluss auf die Linienführung der Mauern, schufen Torsituationen, gepflasterte Plätze und Fenster in die Landschaft, integrierten Sitzgelegenheiten und ergänzten ein Pumpwerk zur Rastinsel für Radtouristen. Am skulptural wirkenden Tor beim Pumpwerk die historischen Pegelstände ablesend, spürt man, dass mit der Donau nicht zu spaßen ist. Wenn der Pegel des hundertjährigen Hochwassers überschritten wird, muss der Polder geflutet werden. Die Fertigteile der Überlaufstrecke wurden in Form einer angedeuteten Welle ausgebildet. Das Wasser fließt deshalb nicht schneller darüber hinweg, aber ohne zu geschwätzig zu wirken, erzählt uns der Bauteil auch im trockenen Zustand von seiner Aufgabe.

Von einer außerordentlichen Anmut ist die Ausführung des Betons: Dunkles Hartgestein aus dem nahen Steinbruch Loja und Eisenoxid verleihen ihm eine Färbung, die jener des Felsens von Schloss Persenbeug nahekommt. Ecken wurden sandgestrahlt, Flächen gestockt. Das wirkt edel und altert schöner als schalreine Oberflächen. Was passiert wäre, wenn Gemeinde und Ingenieure die Kooperation mit den Architekten verweigert hätten, mag man sich gar nicht ausmalen. Der Wachau weiter flussabwärts wäre eine ähnlich sorgfältige Behandlung der Schutzbauten ebenfalls gut zu Gesicht gestanden. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2011)

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