Die Vision zum Frauentag: "2011 - das war Mittelalter"

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Vor dem 100 Jahre Jubiläum des Internationalen Frauentages am 8. März lud Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek zur Feier im „EMS-Depot“ mit Absichtserklärungen, starkem Rap und dem ersten Mann im Staat.

Wien. „Mieze Medusa“ sang im besonders schnellen Rap-Tempo. Medusa, bürgerlich: Doris Mitterbacher, rappte über 100 Jahre Frauenbewegung, oder fast jedenfalls: über die Fristenlösung. Über das neue Eherecht. Und, und, und. „Mieze Medusa“, Gewinnerin des heimischen „Protest-Songcontests“ auf FM4 im Jahr 2007, sang jedenfalls schneller, als Moderatorin Arabella Kiesbauer an diesem Dienstagabend von sich selbst glaubte, zu sprechen. Der Anlass der Zusammenkunft: Rund 500 Frauen aus Politik, Wirtschaft und Kultur feierten im „EMS-Depot“ in Wien vor allem sich selbst – oder das, was Frauen seit dem ersten Frauentag vor hundert Jahren, genauer seit dem 19. März 1911, erreicht haben.

Am (mittlerweile) 8. März hat der Internationale Frauentag also Jubiläum, und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) lud zur Veranstaltung mit dem Titel „100. Frauentag: Wir kommen soweit wir gehen“. Allein: Man sei seit 1911 zwar schon weit gegangen, auch bei unzähligen Demonstrationen. Die Erfolge seien aber noch nicht groß genug, die Frauenbewegung noch lange nicht überflüssig, so der Tenor unter den Festrednerinnen und dem Festredner. „Quotenmann“ des Abends, der im Zeichen der Frauen, ihrer Leistungen und Forderungen stand, war Bundespräsident Heinz Fischer.

Vor dem ersten Mann im Staat ergriff die erste Frau im Staat, Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ), das Wort: „Keinen Applaus wert“ sei es, sagte sie den Klatschenden, dass es in den vergangenen 100 Jahren „nicht gelungen ist, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu erreichen“: Die Einkommensschere müsse sich endlich schließen; Frauen dürften nicht länger rund ein Viertel weniger verdienen. Sie müssten endlich auch stärker in den Führungsetagen vertreten sein. „Der Platz, der Frauen gebührt, den haben sie nicht.“ Prammers Vision für den Frauentag 2111: In weiteren 100 Jahren solle man sagen: „2011, nicht vorstellbar! Es war Mittelalter!“

Kanzler Werner Faymann (SPÖ) nützte den Frauentag für einen Ausflug in die Wirtschaftskrisendebatte: Auch Frauen würden zu den großen Opfern der Krise zählen, während Spekulanten wieder an Oberwasser gewännen; Ungleichgewichte müssten endlich abgeschafft werden. Zweites Plädoyer des Regierungschefs an diesem Abend: Beruf und Familie müssten leichter unter einen Hut zu bringen sein – mit mehr Kindergartenplätzen und Ganztagsschulen.

Blaue Vase von Gabi Proft

Heinz Fischer lobte das, was dank der Frauenbewegung bisher geschah – und will noch mehr Erfolge sehen. Persönliche Erinnerung: Von der SPÖ-Frauenpolitikerin Gabriele Proft, die selbst bei der Sozialistischen Frauenkonferenz 1910 in Kopenhagen war, bei welcher der Internationale Frauentag vorgeschlagen wurde, bekam Fischer eine blaue Vase Otto Bauers geschenkt. An der würden sich jetzt er und seine Frau erfreuen, so Fischer.

Gastgeberin Heinisch-Hosek erinnerte an „Meilensteine“, die Frauenpolitikerinnen wie Hertha Firnberg, Grete Rehor oder Johanna Dohnal hierzulande gesetzt hätten. „Wir strengen uns an, sind aber noch nicht am Ziel“, sagte die Ministerin. Und bezog sich damit unter anderem auf den Kampf um Gleichberechtigung bei der Haus- und Kinderarbeit, die noch zu zwei Dritteln in Händen der Frauen liege, oder um höhere Gehälter in vielen typisch „weiblichen“ Branchen.

Zweifelhafter Star des Abends war ein in einem Video gezeigter Mann, der zum Thema Frauentag schlicht sagte: Bei ihm hätten die Frauen eh „jeden Tag Frauentag“. 365 Tage im Jahr. Na dann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2011)

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