Treffer: Das Schweigen in der Suite

Wäre das nicht die Gelegenheit? Ihr früherer Lebensgefährte ist in der Stadt. Fünf Jahre waren die beiden zusammen.

Wäre das nicht die Gelegenheit? Ihr früherer Lebensgefährte ist in der Stadt. Fünf Jahre waren die beiden zusammen. Eine Tochter verbindet das ehemalige Traumpaar auch weiterhin, dazu die Erinnerung an die gemeinsamen Filme: sie vor der Kamera, er dahinter. Die Liebesbeziehung hat sich längst in eine Freundschaft verwandelt. Ihr Geliebter von einst ist zum fünften Mal verheiratet, diesmal ist es eine Gräfin Ingrid von Rosen. In jenem Winter 1975 ist sie mit ihrem Mann nach New York mitgekommen,wo die Schauspielerin in Ibsens „Nora“ am Broadway debütiert.

Man will sich treffen. Wäre dies nun der rechte Augenblick, zwei Männer zusammenzuführen, die einander schon seit Längerem beobachten? Unter denFreunden der Norwegerin ist auch einamerikanischer Komiker, Autor und Regisseur. Schon vor einiger Zeit hat er ihr gestanden, wie sehr er ihren ehemaligen Partner, den Filmemacher aus dem hohen Norden, verehrt. Soll man da nicht einfach kuppeln? Sie arrangiert ein Abendessen. Der New Yorker ist begeistert. Als er seine Freundin zum geplanten Dinner abholt, spürt sie seine Nervosität: Er zittert, redet ohne Unterlass. Erst vor der Türe der Hotelsuite, in der man sich verabredet hat, verstummt er. Man klopft an, wirdfreundlich begrüßt und an den Tisch gebeten. Und nun? Nichts. Die beiden Männer bringen kein Wort heraus. Sie schauen einander an, fast schon verliebt, und schweigen. Das Besteck klappert, doch sonst ist nichts zu hören.

So lange, bis die Frauen die Stille nicht mehr aushalten. Die Gräfin von Rosen beginnt, sich mit ihrer Vorgängerin über Rezepte auszutauschen, über Fleischbällchen, um genau zu sein. Small Talk. Die Herren, Ikonen des Autorenfilms, bleiben lächelnde Beobachter. Haben sie einander nichts zu sagen? Man verabschiedet sich freundschaftlich. Vor der Hoteltür atmet der Amerikaner tief durch: „Was für ein unglaublicher Mann!“ Die Schauspielerin ist kaum zu Hause, als das Telefon läutet. Ihr früherer Lebensgefährte. Er danke ihr für diesen Abend: „Was für ein unglaubliches Treffen!“

Zwei Kollegen verstehen sich auch oh- ne Worte. Ihrer beider Filme bleiben im Dialog. Kein Schweigen in Sicht. ■

Wer traf wen? Wer, abgesehen von der
norwegischen Schauspielerin, verbindet
die beiden?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2011)

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