Wenn Meinungsfreiheit mit Hetze gegen den Islam verwechselt wird

Gastkommentar. Eine Replik auf Christian Ortners Kolumne „In Europa herrscht Meinungsfreiheit – solange nur eine Meinung geäußert wird“.

Wer Kritik am Islam übt, ist nicht islamophob. Wer dies behauptet, wie kürzlich Christian Ortner in seinem „Quergeschrieben“ („Die Presse“ vom 25.3.), missachtet die unzähligen seriösen Studien, die auf diesem Gebiet zuletzt gemacht wurden und bringt dadurch den Begriff der „Islamophobie“ in Misskredit.

Dass gerade Patrick Bahners „Panikmacher“ zur Kritik steht, ist umso verwunderlicher, betrachtet man die geringe Anzahl derartiger Werke im Vergleich zur tatsächlich wuchernden Vielzahl an Schriften mit islamophoben Inhalten, beginnend bei Oriana Fallaci, Necla Kelek, Ayaan Hirsi Ali über Thilo Sarrazin bis hin zu Henryk Broder. Allesamt Bestseller.

Ein von Ortner angeführtes Beispiel war Elisabeth Sabaditsch-Wolf. Auf ihrer Homepage „Save Free Speech“ posiert sie mit Geert Wilders, dem globalen Kreuzzügler gegen den Islam, und fordert ebenso Meinungsfreiheit ein. Da behauptet sie auch, Gewalt sei in der islamischen Theologie. In Österreich werde es als Beschimpfung abgetan, die „Wahrheit“ über den Islam zu sprechen, so wie der Islam auch die Muslime gelehrt werde.

Und vor wem sprach sie? Nein, diesmal waren es nicht die Führer rechtspopulistischer Parteien in Israel. Diese Worte sprach sie in Florida, beim Gründungstreffen von United West mit dem Motto „Die Vereinigung der westlichen Zivilisation gegen den Scharia-Islam“.

Ein diskutables Urteil

Dass die Verurteilung Sabaditsch-Wolfs zum Gegenstand der Verhetzung fallen gelassen wurde (sie meinte unter anderem: „Der Islam ist feindselig“, „der Koran ist böse“) und lediglich der Anklagepunkt Herabwürdigung religiöser Lehren zu einem Urteil führte, ist sicherlich diskutabel.

Was für ein Weltbild vertritt diese Frau, wenn sie messianisch behauptet, dass sie ihre Anti-Islam-Kampagne für ihre Tochter gestartet habe? Schließlich würde diese künftig in einem Land leben, wo Burkas und Ehrenmorde sowie Genitalverstümmelung als kulturelle Bereicherung gelten werden. Dass diese Sicht auf die Welt krankhaft ist, kann kaum bestritten werden. Nehmen wir an, es wäre lediglich bewusst eingesetzte Intelligenz. Dann sprechen wir über Islamfeindlichkeit als Strategie. Das macht die Sache nicht schöner. Denn diese Strategie muss auf fruchtbaren Boden stoßen.

Wahnvorstellung Islamisierung

Hier kommt durchaus die Krankhaftigkeit zum Vorschein. Es geht um die Wahnvorstellung einer Islamisierung, die immer wieder von rechten Politikern benutzt wird. So wie eine Wahnvorstellung des jüdischen Kapitals, das die Welt beherrsche, existiert(e), so wird heute die Wahnvorstellung einer Islamisierung betrieben.

Herr Ortner beklagt, dass Thilo Sarrazin seinen Job wegen der Beschneidung der Meinungsfreiheit verloren habe. Richtigerweise ist festzuhalten, dass es eine nicht unprofitable einvernehmliche Regelung für Herrn Sarrazin gab.

Es sei auf den für Österreich relevanten Rassismusreport von Zara verwiesen, der feststellt, dass häufiger als bisher Fälle gemeldet wurden, in denen Frauen mit Kopftuch am Arbeitsmarkt abgelehnt werden und im Alltag rassistischen Äußerungen ausgesetzt sind. Diese Ausgrenzung des als „anders“ markierten Menschen ist keine Frage der Meinungsfreiheit.

Verbale Ausgrenzung und verhetzende Parteienwerbung gehen Hand in Hand mit Alltagsdiskriminierung. Insofern ist auch das Urteil gegen Sabaditsch-Wolf ein Zeichen einer gesunden politischen Kultur, wenn derartige Hetze nicht mit Steuergeldern bezahlt werden darf.

Farid Hafez ist Politikwissenschaftler, lehrt an der Universität, ist Herausgeber des Jahrbuchs für Islamophobieforschung (Studienverlag).


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2011)

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