Denn sie wissen nicht mehr, was sie wollen

Der ÖFB leidet nicht unter einem schwachen Teamchef, sondern unter Cliquenwirtschaft und dem Verlust der Unternehmenskultur.

Wer Näheres über die Mechanik politischer Analysen im Allgemeinen oder über die ÖVP-Krise im Speziellen erfahren möchte, braucht nur die Kritiken der vergangenen zwei ÖFB-Länderspiele (0:2, 0:2) zu memorieren. Der jeweiligen Krise wird ein Gesicht zugeschrieben: das rundliche des Obmanns und das eher kantige des Teamchefs. Führungsschwäche, falsche Taktik, Vertrauensverlust, Mahnung zu Stärke und Selbstbewusstsein, die Sehnsucht nach dem starken Mann – und was es noch so an negativen Stereotypen aus dem Managerhandbuch gibt, wird als Erklärung angeboten. Die Apparate versichern reflexartig, es gäbe keine „Diskussion“ um die Chefs, aber damit bestätigen sie bloß, wie ungeheuer wichtig sie sich selbst finden.

ÖFB-Präsident Leo Windtner hat offenbar angenommen, im Teilzeittrainer Didi Constantini einen Teamchef zu haben. Seit sich herausstellt, dass der weder die Mannschaft noch das Umfeld durch Arbeit und Konzepte weiterentwickelt, macht sich Ratlosigkeit breit. No na. Denn im heimischen Fußball sind Modernitätsfeindlichkeit und Wissenschaftsskepsis endemisch. Als einzige Erklärung im Fall des Scheiterns bleibt das Versagen der Leitfigur.

Die führenden Mitarbeiter sind – ähnlich wie in der ÖVP – durch ihre Vergangenheit miteinander verbunden, und nicht etwa durch Ideen oder Vages wie Zukunft. Ausschlaggebend für ein Avancement in der Herde ist das Brandzeichen eines mächtigen „Stalles“.

Der ÖFB hat zwar keine Bünde, ausschlaggebende Qualifikationen sind der Status als Ex-Teamspieler und der gute Draht zur ÖFB-Spitze, vorzugsweise zum realpolitischen Alleinherrscher, dem Generaldirektor Gigi Ludwig.


Solcherart Selektierte verbindet vornehmlich das gemeinsame Interesse am Job. Interne Kritik wird als Nestbeschmutzung und Ausschließungsgrund empfunden und daher tunlichst unterlassen. Der alternde Tscheche Karel Brückner war offenbar ein Versuch des damaligen ÖFB-Präsidenten Friedrich Stickler, den Filz aufzubrechen. Leider ging der Versuch schief.

Das markanteste Beispiel für die Postenmechanik des ÖFB stellt derzeit (neben dem Tormanntrainer Franz Wohlfahrt und Constantinis Assistenten Manfred Zsak) der Unter-21-Teamchef Andreas Herzog dar. Herzog war einer der besten Kicker Österreichs, als Trainer außerhalb des ÖFB hat er keine Erfahrung und Qualifikation gesammelt. Braucht er für den ÖFB auch nicht.


Methodische Arbeit über das Gaberln hinaus leistet im ÖFB hauptsächlich Sportdirektor Willibald Ruttensteiner. Er ist ehrgeizig, weiterbildungsbesessen, kein Ex-Teamkicker und kann einen Overhead-Projektor bedienen. Grund genug für viele Ex-Internationale und „Praktiker“, ihn als „Lehrer“ und „Wissenschaftler“ zu belächeln. Ruttensteiners Amt und sein Nachwuchskonzept („Der österreichische Weg“) wurden seinerzeit von einem Außenseiter, einem jungen, innovationsfreudigen Landesverbandspräsidenten protegiert, dem heutigen ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf.

Doch Kopf ging in die Politik, von einem vergangenheitstrunkenen Verein zum nächsten. ÖVP und ÖFB haben die Kulturtechnik verloren, die sie groß gemacht hat. Die einen haben keine Politiker, die anderen keine Trainer mehr, die eine Erwähnung wert wären. Die einen können kein Spiel, die anderen keine Wahl gewinnen. Egal, was der auf dem Bankerl unter Taktik versteht...

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2011)

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