Moser: Staatsausgaben und Defizit „besorgniserregend“

(c) FABRY Clemens
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Rechnungshof-Präsident Moser warnt die Bundesregierung, auf eine Pensions- und Staatsreform zu verzichten: Der Spielraum werde budgetär immer kleiner. Allein seit 2009 ein Defizit von 25 Milliarden Euro.

Die Presse: Die neue Finanzministerin Maria Fekter hat eine große Staatsreform ausgeschlossen. Den großen Wurf wird es nicht geben, heißt es auch an der Regierungsspitze. Das muss den Rechnungshof-Präsidenten doch schockieren?

Josef Moser: Schauen wir uns die Zahlen an, die wir in unserem Budgetbericht vorgelegt haben: Betrachtet man die vergangenen Jahre, sieht man, dass sich alle Kenndaten enorm verschlechtert haben. Das ist sicher nicht allein auf die Finanzkrise zurückzuführen. Allein seit 2009 haben wir ein Defizit von 25Milliarden Euro zu verzeichnen, die Staatsschulden stiegen enorm, die Aufwendungen zur Zinsentilgung ebenfalls. Besonders alarmierend sind die Pensionsausgaben: Der Beitrag des Bundes zu den SVG-Pensionen ist von 2009 auf 2010 um mehr als eine Milliarde Euro gestiegen.

Welche Maßnahmen bei den Pensionen würden Sie befürworten?

Das eigentliche Problem ist weiterhin die Hacklerregelung: Ein Bundesbeamter, der seit der Matura im Dienst ist, kostet dank dieser Regelung durch seinen früheren Pensionsantritt den Staat im Schnitt 187.000Euro mehr. 1500 sind 2009 mit diesem Modell in den Ruhestand getreten, die Mehrkosten kann man mit 280Millionen Euro berechnen, wenn man die Lebenserwartung von rund 80 annimmt. Da kommen weitere große Kosten auf uns zu. Ähnliches gilt für Bereiche wie die ÖBB oder die Nationalbank, bei denen es Pensionsprivilegien gibt. Das ist schon wegen der Gerechtigkeit eigentlich nicht darstellbar. Ein klares Potenzial für Veränderungen.

Werden die viel kritisierten Sparmaßnahmen vom Herbst nicht greifen?

Das werden wir im nächsten Bundesrechenabschluss sehen, aber wir können verfolgen, dass allein die Ausgaben für Familienleistungen 2010 um 600Millionen Euro über den Erwartungen und Berechnungen lagen. Noch einmal: Alle Kenndaten sind schlechter geworden. Unser Spielraum wird immer enger, die budgetäre Situation wird sich leider trotz Wirtschaftswachstums auch in den nächsten Jahren nicht so verbessern, dass wir die Staatsschulden in Richtung 60Prozent des BIPs bringen. Stattdessen geht die Schere zwischen dem Maastricht-Ziel und den tatsächlichen Staatsschulden weiter auseinander: Das ist wirklich besorgniserregend.

Wir reden aber schon über die nächste Steuerreform und mögliche Mehrausgaben.

Nur so viel: So kann man kein Budget sanieren – ohne deutliche Strukturreformen zu setzen. Wir geben viel Geld aus, das nicht bei den Bürgern ankommt, sondern davor irgendwo in den Strukturen versickert.

Wo passiert das beispielsweise?

Das passiert besonders augenscheinlich im Gesundheitsbereich: Wir haben keine Gesamtplanung für die Patienten und das Gesundheitswesen, sondern noch immer Parallelstrukturen und Mehrfachplanungen. Ähnlich ist es aber auch im Bildungsbereich. Da gibt es mehrere problematische Bereiche, vom uneinheitlichen Dienstrecht über das fehlende zentrale Gebäudemanagement bis zur gesamten Personalführung, also dem Controlling. Wir stehen bei den Ausgaben zwar im internationalen Ranking ganz oben, bei den Leistungen der Schüler aber nicht.

Das sind wohl vor allem die Personalkosten, aber es wird doch immer nach mehr Geld für die Schulen gerufen.

Wir haben einen einheitlichen Lehrplan, aber kein einheitliches Dienstrecht, unterschiedliche Verpflichtungen für Fortbildung und die Bezahlung, das spricht Bände. Es gibt bei den Lehrern nicht einmal echte Ressourcenaufzeichnungen, wie sie für eine effiziente Personalsteuerung in jedem Unternehmen notwendig sind.

Kommen Sie sich nicht wie ein einsamer Rufer in der Wüste vor? Das sind doch Dinge, die einigermaßen bekannt sind und nur am Widerstand von Personalvertretern oder den Bundesländern scheitern.

Das ist immer eine politische Entscheidung, das stimmt. Aber der Rechnungshof hat den Auftrag, einen Rechnungsabschluss vorzulegen. Und der zeigt deutlich: Ohne Strukturreform geht es nicht. Je länger man wartet, desto schwieriger wird es. Allein bei dem vorgegebenen Budgetrahmen bis 2015 sieht man: 43Prozent der Mehrausgaben in diesem Zeitraum gehen direkt an die Zinszahlungen für die Staatsschuld.

Sie sagen, die Finanzkrise wäre nicht allein der Grund für die schlechten Zahlen, genau das heißt es aber aus der Bundesregierung.

Das stimmt nur bis zu einem gewissen Grad. Aber wir hatten 2007 ein Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent, tolle Arbeitsmarktdaten und so weiter; dennoch ist es auch in diesem Jahr nicht gelungen, ausgeglichen zu budgetieren. Wir haben auch in diesem guten Jahr ein Minus gemacht. Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ist der Spielraum nun noch kleiner geworden, aber der Bedarf nach Reformen eben größer. Noch einmal: Wir haben genug Potenzial, Geld langfristig einzusparen. Man müsste es nur nützen.

Aber was sagen Ihnen denn Regierungsmitglieder auf Ihre doch recht eindeutig formulierten Empfehlungen?

Rund 80Prozent aller Empfehlungen des Rechnungshofs werden umgesetzt. Leider sind die anderen 20Prozent eben jene, die grundlegende Reformen betreffen, die vor allem ein Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bedürfen – also etwa Veränderungen bei den Kompetenzen. Wir haben 2010 ein staatliches Defizit von 13,1Milliarden, davon machen drei Milliarden Länder und Gemeinden, obwohl sie laut geltendem Stabilitätspakt ein Plus bringen müssten. Vor allem die Gemeinden, aber auch manche Länder haben enorme Schwierigkeiten.

Der steirische Sparkurs müsste Ihnen gefallen.

Die Steiermark hat ein großes Problem, da müssen Maßnahmen gesetzt werden, um das Landesbudget fit zu machen. Aufgrund der drastischen Budgetsituation wurde etwa auch bei den Pensionen der Landesbediensteten etwas unternommen, die einzelnen aktuellen Maßnahmen will und kann ich nicht beurteilen. Das haben wir nicht geprüft. Aber die Steiermark handelt.

Welche Länder haben noch ein Problem?

Legt man das Maastricht-Ergebnis 2009 zugrunde, sind das die Steiermark, Kärnten, Oberösterreich und Niederösterreich.

Zur Person

Josef Moser ist seit 2004 Präsident des Rechnungshofes. Der gebürtige Kärntner ist zuvor kurz ÖBB-Holding-Vorstand und davor Klubdirektor der FPÖ im Parlament gewesen. [Clemens Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2011)

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