Personenströme "intelligent" dirigieren

Das öffentliche Verkehrsnetz soll an die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Kunden angepasst werden.

Wieder einmal Montagmorgen. Menschenmassen strömen zur morgendlichen Rushhour zu den U-Bahn-Stationen. Manche noch ein wenig verschlafen vom Freizeitstress des Wochenendes, andere in Hektik, weil sie zu spät aufgestanden sind und zur morgendlichen Sitzung mit dem Chef hetzen, andere mit kleinen, quengelnden Kindern an der Hand, die in den Kindergarten und in die Schule gebracht werden müssen. Dazwischen ältere Menschen mit Stock, Rollstuhlfahrer und Schülergruppen auf Wien-Woche. Alles dabei – von Klein und Groß, von sehr mobil bis eingeschränkt.

An die vielfältigsten Bedürfnisse dieser Personengruppen sollten die Wege des öffentlichen Verkehrsnetzes angepasst sein, denn die Personenströme möchten richtig – sprich „intelligent“ – gelenkt werden, damit es weder zu „stauartigen“ noch zu panikähnlichen Situationen kommt. Eine wissenschaftliche Basis dafür will ein Forscherkonsortium in dem von der Forschungsförderungsgesellschaft unterstützten Projekt „mPed+“ schaffen. Konkret: skalierbare Softwarewerkzeuge für unterschiedliche Fußgängersimulationen und deren Visualisierung. Geleitet wird das Projekt vom Mobility Department des Austrian Institute of Technology (AIT). Unter den Partnern finden sich die WienerLinien oder die Fraunhofer Austria Research GmbH.

„Betreten wir eine Fußgängerzone oder einen Raum des öffentlichen Verkehrsnetzes, dann ist uns meistens nicht bewusst, wie viel gestalterische Planung dahintersteckt. Eine effiziente Lenkung von Fußgängerströmen ist jedoch gar nicht so einfach“, erläutert Eva Eggeling vom Geschäftsbereich Visual Computing von Fraunhofer Austria in Graz.

Im Rahmen von mPed+ werden Personenströme anhand unterschiedlicher Szenarien in Wiener U-Bahn-Stationen simuliert und in einem 3-D-Modell der Stationen visuell dargestellt. „Dabei werden wir auch Abweichungen vom Normalbetrieb durchspielen“, so Eggeling. Zum Beispiel wie es sich auswirkt, wenn ein Stationsausgang gesperrt werden muss: Reichen die anderen Ausgänge aus, um die Menschen sicher zu und von den Stationen zu leiten oder muss die Station vorübergehend aus Sicherheitsgründen aufgelassen werden? Was passiert bei großen Menschenansammlungen, beispielsweise vor und nach Großveranstaltungen wie Fußballspielen? In welchen Intervallen sollten die U-Bahnen zu welchem Zeitpunkt solcher Ereignisse fahren?


Vereinen von Informationen. Das Besondere an mPed+: „Es kombiniert umfassende, also makroskopische, sowie detaillierte, mikroskopische, Simulationsmodelle in einem Gesamtmodell“, erklärt Eggeling. „So können wir die Gesamtsituation überblicken, aber auch in Details des simulierten Gebäudes hineinzoomen.“ Damit erhalten Verkehrsbetreiber und -planer umfangreiche Informationen über Personenströme in komplexen öffentlichen Verkehrsnetzen mit ihren Stationen und Umsteigeverbindungen.

Ein wesentlicher Baustein für optimierte Personenströme sind Leit- und Informationssysteme für die Verkehrsteilnehmer. In dem ebenfalls vom AIT geleiteten FFG-Projekt „Imitate“ probieren Testpersonen verschiedene Leit- und Informationssysteme in einem virtuellen 3-D-Raum aus – für letzteren ist Fraunhofer Austria Spezialist. Konkret handelt es sich um einen quadratischen Raum mit einer Seitenlänge von 3,3 Meter, der durch Einblendung von anderen Fußgängern, einer Geräuschkulisse, realistischer Beleuchtung sehr realitätsnah gestaltet wird. „Dabei messen wir die Zeit, die die Probanden von Ort A nach Ort B brauchen“, erläutert Eggeling. „So soll sich für bestimmte Gebäude das jeweils effektivste Leitsystem finden lassen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2011)

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