Wiener Festwochen: Die Liebe unter Kampftrinkern

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Die New Yorker Theatergruppe Elevator Repair Service verdichtet Ernest Hemingways Roman „The Sun Also Rises“ (dt. „Fiesta“, 1926) auf einen Theaterabend im Museumsquartier, der fasziniert, aber auch ermüdet.

Das Café Select in Paris, voller Flaschen mit harten Getränken – in diesem Set von David Zinn für die New Yorker Theatergruppe Elevator Repair Service, das später als Bodega und sogar als Arena dient, müsste sich Ernest Hemingway (1899–1961) wohlgefühlt haben. Trinken scheint eine Hauptbeschäftigung des US-Dichters in den Pariser Jahren nach dem Ersten Weltkrieg gewesen zu sein. In der Inszenierung seines Romans „The Sun Also Rises“ (dt. „Fiesta“, 1926) durch John Collins wird das deutlich gemacht. Paris ist überflutet von lebenshungrigen Amerikanern. Aber dieser Aspekt ist nur ein oberflächlicher. Der Off-Broadway-Truppe gelingt es mit „The Select“ erneut, die Textmasse eines Romans mit einfachen Mitteln des Theaters so umzusetzen, dass man nach dreieinhalb Stunden glaubt, das Buch nicht nur ganz gelesen, sondern auch noch seine tiefere Bedeutung erfasst zu haben.
Dabei ist Elevator Repair Service gar nicht mehr so puristisch wie bei ihren bisherigen Projekten. 2007 hat man bei den Festwochen tatsächlich noch „The Great Gatsby“ von der ersten bis zur letzten Seite vorgetragen, 2009 hat man in Wien immerhin noch den ersten der vier Teile von „The Sound and Fury“ auf die Bühne gebracht. Die Fülle stand im Mittelpunkt. Heuer aber gibt es beim Gastspiel im Museumsquartier mehr Szenisches als Beschreibendes. Man konzentriert sich vor allem auf Dialoge. Und dabei zeigt sich, wie musikalisch und pointenreich Hemingway seine Prosa aufbaut.
Bei der Premiere am Dienstag gab es zwar gegen Mitternacht Ermüdungserscheinungen, die Reihen im Publikum lichteten sich, aber auch die Protagonisten sind doch ermattete Helden – Überlebende, die vom großen Krieg traumatisiert sind, in Alkohol, instabile Beziehungen und Macho-Abenteuer wie den Stierkampf in Pamplona flüchten. Die Atmosphäre stimmt, sogar, wenn sie durch Geräusche arg verfremdet wird; es schnauben die Stiere, es heulen die Motoren, es gluckst beim fiktiven Einschenken. Diese ironischen Details werden stark strapaziert. Erzähler Jake (Mike Iveson) jedoch überzeugt; er beschreibt die Gelage mit der liebessüchtigen und von allen begehrten Brett (Lucy Talyor) dem Außenseiter Robert Cohn (Matt Tierney) lakonisch, bis zur bitteren Neige. Auf Zwist folgt Verbrüderung, die Geselligkeit endet in Einsamkeit und Frustration. Schließlich liegen sich Brett und Jake in den Armen. Das verspricht Harmonie bis zur nächsten Bar. Lauter nette Leute? Nur, wenn sie so viel getrunken haben, dass sie ihre Beschädigungen nicht mehr spüren. norb

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