BVT-Chef Gridling: „Schlecht recherchiert“

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Im Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) wird das 1500 seitige Dokument, unter besonderer Berücksichtigung der darin vorkommenden österreichischen Aspekte, seit Sonntag eingehend analysiert.

Wien. Die Weltanschauung des norwegischen Attentäters Anders Behring Breivik beschäftigt seit Tagen die Verfassungsschützer. Der 32-Jährige hat, wie berichtet, ein 1500-Seiten-Manifest mit seinen krausen Gedanken veröffentlicht. Auch im Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) wird das Dokument – unter besonderer Berücksichtigung der darin vorkommenden österreichischen Aspekte – seit Sonntag eingehend analysiert. BVT-Chef Peter Gridling meinte gestern, Montag, zur „Presse“: „Was der Mann da schreibt, ist eine Ansammlung wirrer Ideen. Eine konkrete Bedrohung für individuelle Personen lässt sich nicht herauslesen“, so der BVT-Direktor. Daher lasse sich aus dem Manifest auch keine Aufgabe für die österreichische Polizei ableiten.

Gridling weist darauf hin, dass Breivik lediglich einen Österreicher explizit nennt: Walter Schwimmer, ein ehemaliger ÖVP-Politiker, Nationalratsabgeordneter und von 1999 bis 2004 Generalsekretär des Europarats. Der Zorn gegen ihn entzündet sich in der Schrift des Attentäters daran, dass Schwimmer bei einer Konferenz in Istanbul 2004 erklärt hat, der Islam sei ein wesentlicher Teil der europäischen Vielfalt. Es handle sich aber lediglich um eine „Erwähnung, keine Bedrohung“, meint Gridling. Während SPÖ, ÖVP und Grüne von Breivik verhöhnt werden („Kultur-Marxisten“), entsprechen FPÖ und BZÖ eher dem Weltbild des Norwegers und werden von ihm als „Anti-Einwanderungsparteien“ gelobt. Die Analytiker im BVT gehen außerdem davon aus, dass der Norweger auch einiges über den Briefbombenattentäter Franz Fuchs gelesen hat. Dennoch folgern sie: „Über Österreich hat er schlecht recherchiert.“ Abgesehen von Bezügen zu Österreich sei darin generell eine „hohe Islamfeindlichkeit“ festzustellen, sagt Gridling.

Österreichs oberster Verfassungsschützer ist, wie viele andere Experten ebenfalls, der Ansicht, dass Breivik große Teile seines Manifestes „aus dem Internet zusammenkopiert hat“, so der BVT-Chef. Vor allem Anleitungen für terroristische Aktivitäten dürften nicht von ihm stammen. „Presse“-Recherchen ergaben, dass der Täter zahlreiche Gedanken aus dem 2004 erschienenen Werk „Political Correctness: A Short History of an Ideology“ entlehnt hat. Außerdem dürfte er andere Passagen aus anti-islamischen englischen, deutschen und skandinavischen Internetseiten zusammengetragen und für seine Schrift verwendet haben.

Rechte Bloggerszene unter Beobachtung

Breivik nimmt in seinem Text aber auch Bezug auf einen Blog der sich „Gates of Vienna“ nennt. Bebildert wird diese Seite mit einer Darstellung des berühmten Canaletto-Gemäldes „Ansicht von Wien, vom Belvedere aus gesehen“. Die Internetseite weist auf die Abwehr der Türken von 1683 hin (zweite Wiener Türkenbelagerung). „Fjordman“, ein regelmäßiger Schreiber auf dieser Seite, wurde zuletzt oft in einen möglichen Zusammenhang mit Breivik gebracht. Manche sahen ihn auch als möglichen Täter. Am Montag meldete sich „Fjordman“ in dem Blog in englischer und norwegischer Sprache zu Wort und drückte sein Bedauern über die Attentate aus. Er schreibt: „Ich habe Anders Behring Breivik nie kennengelernt, ich habe absolut nichts zu tun mit den Massakern in Oslo und Utøya.“

Das BVT beobachtet die heimische rechte und islamfeindliche Szene sehr genau. Der jährlich erscheinende Verfassungsschutzbericht gibt aber über „Beobachtungen“ naturgemäß keine genauere Auskunft, erfasst werden Anzeigen.

Auf die Frage, ob es in Österreich Blogger gibt, die sich ähnlich wie Breivik äußern, meint Gridling ein wenig kryptisch: „Wir schauen uns das genauestens an“, eine eindeutige Antwort will er aber auch auf Nachfrage nicht geben. Der BVT-Chef verweist einmal mehr auf die im Frühjahr 2011 vom Netz genommene Seite „alpen-donau.info“. „Das war sicher die aktivste Seite im rechten Bereich.“ Allerdings, so Gridling: „Man muss schon sehen, dass die Aussagen des Täters zwar sehr wirr sind, aber hätte er nicht Menschen getötet, wäre er durch seine Aussagen allein nicht strafbar.“ Auf die Frage, ob er Breivik als „rechtsextrem“ einstufen würde, meint Gridling: „Ohne Zweifel ist er fremdenfeindlich, und manche seiner Ansichten sind rechtsradikal.“

Norwegische Verfassungsschützer untersuchen jetzt, welche Auslandskontakte der Attentäter gehabt hat. Ermittler aus Oslo haben nun dem BVT eine Liste von Internetadressen und Telefondaten aus dem Umfeld des Mannes übermittelt, aus denen sich mögliche Bezüge zu Österreich ergeben könnten. „Wir untersuchen das jetzt sehr genau, bisher haben wir aber nichts Konkretes festgestellt“, berichtete der BVT-Chef Montagnachmittag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2011)

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