Moody's & Co: Der Aufstieg zur "zweiten Supermacht"

Moodys Aufstieg zweiten Supermacht
Moodys Aufstieg zweiten Supermacht(c) Reuters (Mike Segar)
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Bis in die 1970er Jahre waren Ratingagenturen ein reines US-Phänomen. Mächtig gemacht haben sie auch ihre heftigsten Kritiker: Die Politiker.

"Es gibt zwei Supermächte auf der Welt... die Vereinigten Staaten und Moody's Bond Rating Service... und glauben Sie mir, manchmal ist nicht klar, wer von beiden mächtiger ist", schrieb der New Yorker Journalist Thomas Friedman einst. Und: "Die USA können ein Land mit ihren Bomben zerstören; Moody's, indem es seine Anleihen herunterstuft" (mehr über die Ratingagenturen unter "Die Allmächtigen"). Ob Ratingagenturen nur derart allmächtig sind oder nicht - wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass ihre Urteile sogar das Schicksal von Staaten massiv beeinflussen können?

Die Geschichte der Ratingagenturen ist mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den USA im 19. Jahrhundert - und vor allem dem der Eisenbahn - eng verbunden. Als die Bahnstrecken nicht länger nur in dicht besiedeltem Gebiet verliefen und nicht länger durch lokale Banken finanziert wurden, standen potentielle Geldgeber aus In- und Ausland vor einem Problem: Wie waren die Unternehmensanleihen der Eisenbahngesellschaften einzuschätzen?

Bewertung statt nur Information

"Die Eisenbahngesellschaften brauchten Geld. Sehr viel Geld. Doch die Investoren misstrauten den Firmen, von denen sie nichts wussten. Zu groß war die Angst der Anleger, das geliehene Geld nicht zurückzubekommen", schreibt die "Wirtschaftswoche". Das war die Nische, in die sich entsprechende Agenturen wie Standard & Poor's, Moody's und Fitch setzten.

Allen voran verstand es der Finanzanalyst John Moody, aus diesem Problem Kapital zu schlagen. Er sammelte finanzielle und statistische Daten der Eisenbahngesellschaften, begnügte sich aber nicht damit, nur Informationen zur Verfügung zu stellen. Er ging einen Schritt weiter und bewertete bereits 1909 die Daten in Hinblick auf die Kreditwürdigkeit. 1913 wurde schließlich das Moody's Investors Service gegründet. Und die Bewertungen blieben - wie auch bei den Konkurrenten Fitch (1913 gegründet) und Standard & Poor's (1941 gegründet) - nicht auf die Eisenbahn-Branche beschränkt. Bereits 1913 wurden alle größeren Unternehmen am US-Kapitalmarkt - im Gegensatz zum europäischen Markt - von Moody's geratet, wie Christian Lange schreibt.

Aufstieg erst in den 1970er Jahren

"Mit Beginn der Industrialisierung in den USA weiteten auch die Ratingagenturen ihr Betätigungsfeld aus, da immer mehr unbekannte Emittenten auf den Märkten auftraten und die Anleger nach investitionsrelevanten Informationen verlangten", schreibt dazu Nicolas Michel in seiner Diplomarbeit "Die Rolle der Ratingagenturen bei der Strukturierung von Asset-Backed Securities und Collateralised Debt Obligations". Vorerst stagnierte das Ratinggeschäft allerdings. Eine Studie kam sogar zu dem Ergebnis, dass der Informationsgehalt von Änderungen der Ratings bei Anleihen zu vernachlässigen sei.

Zur Wende kam es laut Michel erst später: "Erst in den 1970er Jahren stieg die Ratingnachfrage spürbar an und Ratings, die zuvor fast ausschließlich auf Nordamerika beschränkt waren, gewannen nun auch international an Bedeutung".

Bedarf nach Orientierungshilfen

Als eine Ursache dieser Entwicklung kann die steigende Unübersichtlichkeit an den Finanzmärkten festgemacht werden: Institutionelle Anleger - wie Versicherer, Pensionskassen und Investmentfonds - gewannen an Bedeutung, gleichzeitig stieg die Zahl neuer Wertpapierarten und Finanzierungsinstrumente. Auch die geänderte Anlagestrategie - Streuung zur Risikominimierung - trug einen wesentlichen Teil dazu bei.

"Angesichts der wachsenden Unübersichtlichkeit des Marktes wuchs der Bedarf nach Orientierungshilfen, zuverlässigen Informationen und Risikoeinschätzungen. Ratings dienten dabei auch als Vergleichsbasis zur Beurteilung unterschiedlicher Anlagemöglichkeiten", schreibt Michel dazu.

Globalisierung und Anpassungsdruck

Wie kam es aber dazu, dass die Ratings - ursprünglich ein rein amerikanisches Phänomen - so rasant die Welt eroberten? "Der auf dem heimischen Markt, von etablierten Ratingagenturen gesetzte Standard der Kreditwürdigkeit, wurde im Zuge der Globalisierung und der zunehmenden Verzahnung der internationalen Kreditmärkte vom führenden US-amerikanischen Kapitalmarkt, auf den globalen Kapitalmarkt und seine Marktteilnehmer übertragen", antwortet Michel.

Und: "Für Emittenten, die internationale Investoren ansprechen und die globalen Kapitalmärkte nutzen wollen, ergibt sich ein gewisser Anpassungsdruck an die dort herrschenden, US-amerikanisch geprägten, Marktusuancen und als Konsequenz die Beantragung eines Ratings".

"Politik hat Ratingagenturen mächtig gemacht"

Der Aufstieg und Erfolg der Ratingagenturen ist auch für den Finanzexperten Wieslaw Jurczenko rasch erklärt: "Sie haben ja ein Ratingmodell entwickelt, das für jedermann relativ einfach verständlich war: ein Dreifach-A-Rating zum Beispiel signalisierte jedem: praktisch kein Ausfallrisiko. Das ging dann über B, BB und dann C und D für default, für Zahlungsausfall. Das sind Modelle, die jedem, der sich nie mit Kreditrisiken beschäftigt hat, sehr, sehr einfach verständlich zu machen sind, und deswegen sind sie natürlich zunehmend wichtig geworden", sagt er  im Interview mit dem "Deutschlandradio".

Dass die Ratingagenturen aber derart mächtig geworden sind, führt der Experte nur zum Teil auf die "sehr lange Geschichte zutreffender Urteile" zurück. "Sie sind mitunter aber auch von Gesetzgebern, von den Politikern, die heute die Kritik üben, auch mächtig gemacht worden", sagt er. So sei es die Politik selbst gewesen, die externe Bewertungen von Agenturen - wie etwa im Fall "Basel II" - als zwingenden Bestandteil bei Bonitätseinstufungen definiert.

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