ÖFB-Krise: Constantini wird Teamchef auf Abruf

Dietmar Constantini soll Österreich noch gegen Aserbaidschan und Kasachstan betreuen – oder auch nicht. ÖFB-Präsident Leo Windtner sucht ab sofort einen Nachfolger.

[WIEN] Zu einer wirklichen Lösung konnte sich der Österreichische Fußballbund nach der endgültig verpassten EM-Teilnahme nicht durchringen. Fest steht nur, dass der Vertrag mit dem Teamchef nicht verlängert wird. Aber alles andere ist weitgehend offen. Damit ist der Abschied von Didi Constantini nicht endgültig. Denn der ÖFB-Präsident Leo Windtner hat den Tiroler ersucht, noch bis Jahresende zur Verfügung zu stehen. Zumindest die beiden ausstehenden Qualifikationsspiele in Aserbaidschan (7. Oktober) und Kasachstan (11. Oktober) soll Constantini noch begleiten.

Am 13.9.2011 endete offiziell die Ära Dietmar "Didi" Constantini. Der Vertrag mit dem Tiroler, der im März 2009 Nachfolger von Karel Brückner wurde, wurde nach der verpassten Qualifikation für die EM 2012 zuerst nicht verlängert, dann erfolgte die vorzeitige Trennung. (c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Ch. Kelemen)

Schon als Spieler war der am 30. Mai 1955 geborene Constantini (ganz links in einem Benefizspiel 1995) ein Wandervogel: Seine größten Erfolge feierte der Innenverteidiger mit der SSW Innsbruck, mit der er 1975 das Double gewann und 1977 nochmals Meister wurde. Weitere Stationen waren der Lask, Raika Innsbruck, Kavala (Griechenland), Union Wels, der FavAC und der Wiener Sportclub. Insgesamt kam Constantini auf 198 Bundesliga-Spiele (5 Tore). (c) APA (Mayer)

Seine Trainerkarriere begann der Innsbrucker 1987 als Co-Trainer beim Sportclub und später bei Rapid Wien. Ab Juni 1991 war er Betreuer der österreichischen U-21 und zudem auch Co-Trainer von ÖFB-Teamchef Alfred Riedl. Als dieser im November 1991 entlassen wurde, war Constantini zwei Monate lang Interims-Nationaltrainer. In den zwei Spielen seiner Amtszeit gab es zwei Niederlagen (1:2 gegen Nordirland und 0:2 gegen Jugoslawien). (c) APA (S.N.S.)

1992 wurde er unter Ernst Happel wieder Co-Trainer, der "Wödmasta" galt immer als Mentor und Lehrer von Constantini. Nach Happels Tod im November 1992 betreute er abermals interimistisch das Nationalteam, zwar gab es wieder keinen Sieg, doch ein respektables 0:0 gegen Deutschland in Nürnberg. Als 1993 Herbert Prohaska neuer Teamchef wurde, kehrte Constantini dem ÖFB den Rücken. (c) APA (ROBERT JAEGER)

Nach sieben Jahren kehrte er aber zurück: Nach Gastspielen beim Lask, Admira Wacker, dem FC Tirol Innsbruck und einem Jahr beim 1. FSV Mainz 05 in der zweiten deutschen Bundesliga wurde er 1999 abermals Co-Trainer - diesmal unter Otto Baric. (c) AP (GERHARD GRADWOHL)

Das Duo schaffte in 22 Spielen sieben Siege und sechs Unentschieden. In der Qualifikation für die Fußball-Weltmeisterschaft 2002 schaffte man es bis ins Play-Off, wo gegen den späteren WM-Dritten Türkei Endstation war (0:1 und 0:5). Baric trat 2001 als Teamchef zurück, auch Constantini verließ den ÖFB. (c) Gepa (Daniel Raunig)

Constantini wandte sich wieder dem Klubfußball zu: Er ging zur Wiener Austria und führte sie von den unteren Tabellenregionen noch in den Uefa-Cup. Zum Saisonende endete das Engagement, Constantini wollte Zeit für seine Jugendfußball-Camps haben, die er seit Ende der 90er jeden Sommer abhielt. (c) APA (ARTINGER Guenter)

Im September 2003 übernahm er den Abstiegskandidaten FC Kärnten. Im Winter zog sich Constantini auf den Posten des Sportdirektors zurück und machte Platz für Peter Pacult. Im März 2004 verließ er den Verein ganz, Kärnten stieg am Saisonende ab. (c) AP (GERT EGGENBERGER)

Das nächste Kapitel begann im März 2006: Didi Constantini wurde nach Pasching gerufen, der Spezialist für Kurzeinsätze führte den Dorfklub in den Uefa-Cup und zog sich wie üblich am Saisonende zurück. Als sein Nachfolger Milan Duricic schon im Oktober wieder das Handtuch warf, übernahm wieder Constantini. Er blieb bis zum Saisonende, der Klub wurde in seiner letzten Spielzeit Fünfter, dann verkaufte Präsident Franz Grad die Bundesliga-Lizenz nach Kärnten. (c) APA (Helmut Fohringer)

Im März 2008 übernahm Constantini, der in seiner fußballlosen Zeit auch als TV-Experte beim Privatsender ATV arbeitete, zum bisher letzten Mal ein Amt als Klubtrainer - er begann seine zweite Amtszeit bei der Wiener Austria. Er erreichte Platz drei und bekam von Präsident Wolfgang Katzian einen Feuerwehrhelm überreicht. Am Saisonende machte Constantini Platz für Karl Daxbacher. (c) REUTERS (ROBERT ZOLLES)

Am 4. März 2009 wurde Didi Constantini als Nachfolger von Karel Brückner offiziell als neuer Teamchef vorgestellt. Der bisherige U21-Coach Manfred Zsak wurde Co-Trainer des Tirolers. (c) AP (RONALD ZAK)

Schon im ersten Spiel seiner dritten Amtszeit gelang Constantini der erste Sieg als Nationaltrainer: Gegen Rumänien gab es am 1. April 2009 in Klagenfurt ein 2:1. (c) APA (Robert Jaege)

Der zweite Auftritt bei WM-Quali-Gruppenfavorit Serbien ging zwar 0:1 verloren, doch Constantinis Elf gewann mit beherztem Auftreten und phasenweise beeindruckendem Spiel viele Sympathien zurück. (c) APA (Robert Jaeger)

Trotz Rückschlägen wie dem 0:2 im Freundschaftsspiel gegen Kamerun und trotz der wohl verpassten WM-Qualifikation ließ der ÖFB früh durchblicken, dass man Constantini gerne weiter als Teamchef sehen würde. Im September 2009 wurde nach dem Sieg über die Färöer Inseln (3:1) und einem 1:1 in Rumänien Constantinis Vertrag verlängert. (c) APA (Roland Schlager)

Das Jahr 2009 endete aber ernüchternd: Einem knappen Heimsieg über Litauen (2:1) folgten Pleiten in Frankreich (1:3) und daheim gegen Spanien (1:5). (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)

Das neue Jahr begann dagegen vielversprechend: WM-Teilnehmer Dänemark wurde im Happelstadion mit 2:1 besiegt. Die Freundschaftsspiele gegen Kroatien und die Schweiz gingen dafür jeweils mit 0:1 verloren. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)

Der Start in die EM-Quali gelang Didi Constantinis Truppe: Österreich quälte sich gegen Kasachstan zu einem späten 2:0-Sieg, schlug Aserbaidschan 3:0 und holte ein spektakuläres 4:4 in Belgien. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)

Doch die gute Ausgangslage war schnell dahin: Im Rückspiel im März 2011 verlor die ÖFB-Elf nach indiskutabler Leistung gegen Belgien daheim mit 0:2. Vier Tage später setzte es in Istanbul dasselbe Ergebnis. (c) Dapd (Andreas Schaad)

Österreich bäumte sich noch einmal auf: Anfang Juni unterlagen die rot-weiß-roten Kicker Deutschland unglücklich und in letzter Minute mit 1:2. Nach einem 3:1 im Freundschaftsspiel gegen Lettland schien Constantini sein Team schon auf einen besseren Weg gebracht zu haben. (c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Ch. Kelemen)

Nach einem 1:2 gegen die Slowakei wurde Constantini aber immer dünnhäutiger: Ende August brach er eine Pressekonferenz vorzeitig ab, danach beleidigten seine Co-Trainer einen Redakteur. Als das Qualimatch in Deutschland mit einem 2:6-Debakel endet, sind Constantinis Tage als Teamchef gezählt. Als mit dem 0:0 gegen die Türkei auch die letzte theoretische Chance vorbei ist, trennen sich die Wege des Tirolers und des ÖFB. Am 13. September wurde der Vertrag aufgelöst. (c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Christian Ort)

Der Teamchef bleibt also vorerst im Amt. Zumindest für die nächsten Wochen. Präsident Leo Windtner aber begibt sich „ab sofort auf Teamchefsuche". Abschließen will man sie bis spätestens 18. November, das ist der Tag der Terminkonferenz für die kommende WM-Qualifikation. Drei Tage davor bestreitet Österreich ein Testspiel gegen die Ukraine, das sollte der neue Mann eigentlich schon auf der Bank erleben. Und sollte der Constantini-Nachfolger überhaupt mehr oder weniger über Nacht gefunden werden, dann ist die Ära des Tirolers sofort vorbei. Dann könnte er Aserbaidschan und Kasachstan bereits vor dem Fernseher verfolgen. Aber nichts Genaues weiß man nicht.
Didi Constantini sieht die Situation eher gelassen. „Ich nehme das so an", sagt er. „Nach mir kommt der Nächste, das ist ganz normal. Ich habe das irgendwie so erwartet, weil wir in der Qualifikation zu wenig Punkte gemacht und zu wenig Tore geschossen haben. So gesehen hält sich meine Enttäuschung in Grenzen."

„Keine Millionen verballern"

Präsident Leo Windtner ist dem Teamchef dankbar, dass er sich weiter zur Verfügung stellt, im Direktorium hat Constantini aber keine Mehrheit mehr erreicht. Gebildet wird dieses Gremium aus Hans Rinner (Bundesliga-Präsident), Johann Gartner (NÖ-Präsident), Sepp Geisler (Tirol), Willi Prechtl (OÖ) und Markus Kraetschmer (Austria).

Der ÖFB vertraut dem alten Teamchef, andererseits auch wieder nicht. Darin sieht Windtner natürlich keinen Widerspruch. „Das Verhältnis zu ihm ist intakt, es gibt keinen Bruch. Er hat auch noch immer einen Draht zur Mannschaft." Dies alles spreche für die Vertragseinhaltung mit Constantini. Und gegen eine Interimslösung. Wobei der aktuelle Teamchef jetzt auch ein Ablaufdatum hat. Er steht sozusagen auf Abruf bereit. Alles scheint möglich, eine Nichtberücksichtigung, aber auch weitere zwei Spiele auf der Trainerbank. Das Stammleiberl ist er los. „Aber es war eine schöne Zeit", so Constantini.

Was den neuen Teamchef betrifft, so ist Präsident Leo Windtner nach allen Seiten offen. „Wir werden auf Qualität schauen", sagt der Oberösterreicher. „Aber wir werden sicher nicht Millionen in einen prominenten Namen verballern." Eine Ablöse will man auch nicht unbedingt berappen, „Zusatzkosten sollte man sich gut überlegen." Das deutet eher auf einen derzeit vereinslosen Kandidaten hin. Deutschkenntnisse in einem Mindestmaß werden erwartet. „Windtner: „Es wird von uns keinen Schnellschuss geben!"

("Die Presse", Printausgabe vom 8. September 2011)