26. Oktober: Feiertag auf der Suche nach dem rechten Inhalt

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Symbolbild(c) APA/HERBERT P.OCZERET (HERBERT P.OCZERET)
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Mit Heinrich Drimmels „Tag der Fahne“ begann es 1955, dann kam der arbeitsfreie Nationalfeiertag, nach dem Abklingen der „Fit, mach mit“-Hysterie stürmen die Massen jetzt die Armeeschau auf dem Heldenplatz.

Es wird alles sein wie immer: Kranzniederlegungen beim Äußeren Burgtor in Wien, Festsitzung der Bundesregierung, Angelobung der Bundesheerrekruten, solange es solche noch gibt, Waffenschau der Armee auf dem Heldenplatz, bei der Unteroffiziere und Kaderpersonal kleinen und großen Kindern beim Herumkrabbeln auf Kampfpanzern helfen. Die Wiener werden wieder ihre Hetz haben und nicht hinterfragen, gegen welche Feinde diese schweren Geräte eigentlich rollen sollen. Dazu die Attrappe eines Eurofighters – und natürlich, das ist besonders wichtig: die Menage aus der Feldküche.

Arbeitsfrei seit 1967

Österreichs Nationalfeiertag. Der 46. übrigens in seiner derzeitigen Form. Denn am 25. Oktober 1965 verabschiedete der Nationalrat das betreffende Gesetz, das tags darauf in Kraft trat. Seit dem Jahr 1967 ist der Tag auch arbeitsfrei. Nach heftiger Gegenwehr aus der Wirtschaft. Das „Nationalfeiertagsgesetz“ hat eine eigene Präambel, die daran erinnert, dass am 26. Oktober 1955 „Österreich seinen Willen erklärt hat, für alle Zukunft und unter allen Umständen seine Unabhängigkeit zu wahren und sie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen, und in eben demselben Bundesverfassungsgesetz seine immerwährende Neutralität festgelegt hat . . .“
Von Einhelligkeit war in den Jahrzehnten davor nie etwas zu spüren. Der Streit um einen würdigen Staatsfeiertag entzweite die Parteien seit dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 – von einer „österreichischen Nation“ konnte damals sowieso keine Rede sein.

Zunächst der 12. November

Den ersten Nationalfeiertag beging die neue Staatsführung am 12. November 1919, also am ersten Jahrestag der Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich. Diese Gedenkfeier verlief unspektakulär – man hatte andere Sorgen. Auch in den folgenden Jahren gedachte der Nationalrat dieses Anlasses nur in Form einer kurzen Ansprache im Hohen Haus.
Als 1933 das Parlament durch eine – heute völlig unsinnig anmutende – Geschäftsordnungspanne handlungsunfähig wurde, ergriff der christlich-soziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß die Gelegenheit, autoritär regieren zu können. Er proklamierte dann am 1. Mai 1934 feierlich die neue Verfassung des „Ständestaats“ und machte den Tag hinfort gleich zum Staatsfeiertag.

Vakanz von 1945 bis 1955

Damit war der bisher sozialdemokratisch konnotierte „Tag der Arbeit“ mit einer anderen Bedeutung versehen. Die NS-Machthaber gestalteten dann ab 1938 rund um den Festtag pompöse Feiern, die die „Ostmärker“ gern konsumierten. Nicht nur der „Herr Karl“.
Der 1. Mai als „Tag der Arbeit“ feierte zwar gleich nach Kriegsende seine Auferstehung, aber einen Feiertag der Republik gab es nun bis 1955 wieder nicht. Schließlich war Österreich von den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs besetzt und überwacht.
Dann kam Heinrich Drimmel, der Wiener Intellektuelle unter vielen einfachen Menschen in der Regierung. Der ÖVP-Unterrichtsminister des Jahres 1955 bereitete die Lehrerschaft per Erlass vom 1. Oktober auf das Ereignis vor, das an allen Schulen würdig gefeiert werden möge: Wenn der letzte Besatzungssoldat das Land verlassen habe, werde der Nationalrat Österreich feierlich für immerwährend neutral erklären. Drimmel hatte sich auch einen Namen ausgedacht: „Tag der Fahne“. Im Weinland Österreich kursierten bald die dümmsten Witze über diesen patriotisch gemeinten Ausdruck.
Warum konnte sich Drimmel nicht mit dem 15. Mai durchsetzen? Schließlich war die Unterzeichnung des Staatsvertrags im Belvedere ja mit wesentlich mehr Patriotismus verbunden – ein umjubelter Schicksalstag in der jüngeren österreichischen Geschichte.

SPÖ gegen den 15. Mai

Drimmel wollte, aber die SPÖ nicht. Der kleinere Koalitionspartner war ohnehin längst verschnupft über den Mythos, den die Volkspartei rund um ihren „Staatsvertragskanzler“ Julius Raab aufgebaut hatte. Eine womöglich alljährliche Raab-Huldigung zum 15. Mai – das wollte sich die SPÖ nicht antun.
Also kam es, wie immer bei Koalitionen, zum Kompromiss. Der hieß „26. Oktober“. Damals wussten wahrscheinlich genauso wenig Österreicher um die Bedeutung dieses Tages wie heute. Ein Nationalfeiertag aus der Retorte.
Laut Staatsvertrag musste bis 25. Oktober 1955 der letzte ausländische Soldat Österreich verlassen haben. So geschah es auch. Offiziell übergaben die Briten an diesem Tag ihre letzte besetzte Kaserne (Klagenfurt-Lendorf) an Österreich. Der letzte Sowjetsoldat hatte Österreich nachweislich schon am 19. September verlassen.

Eine österreichische Legende

Die landläufige Meinung also, dass am 25. Oktober der letzte Sowjetsoldat den Eisenbahnzug Richtung Heimat bestiegen habe, ist nichts weiter als eine Legende, die sich hartnäckig hält. Am 26. Oktober 1955 war jedenfalls alles bereit, das Parlament beschloss – rückwirkend ab null Uhr – das Verfassungsgesetz über die „immerwährende Neutralität“.
Am 11. September 1956 dekretierte der Ministerrat auf Antrag Drimmels, den „Tag der österreichischen Fahne“ alljährlich am 26. Oktober zu begehen. Die Unternehmer ahnten schon, dass da womöglich ein neuer Feiertag geboren würde, und wehrten sich jahrelang nach Kräften. Sie verlangten einen Abtausch gegen einen kirchlichen Feiertag, am besten im Mai oder Juni. Daraus wurde nichts. 1965 kam es zuerst zum „Nationalfeiertag“, 1967 wurde er dann auch arbeits- und schulfrei.
Aber wie sollte man feiern? In ganz Österreich brach damals eine Fitnesshysterie aus, auf die sich die Regierenden draufsetzten. „Fit, mach mit“ war in aller Munde, die drei heimischen Sportverbände organisierten mit Wonne „Fitmärsche“ mit Massenbeteiligung, für die etwas Fortgeschrittenen Waldläufe in allen möglichen Gegenden Wiens. Erst gegen Ende der Neunzigerjahre ebbte diese Welle ab, der letzte derartige Wettbewerb (in Pötzleinsdorf) wurde erst vor drei Jahren eingestellt.

Jugendfeier in der Stadthalle


Josef Klaus, der messianische ÖVP-Bundeskanzler, wollte für das Land das Beste. Also ließ er 1966, im ersten Jahr seiner Alleinregierung, eine Bühnenschau der Superlative vom Stapel. Tausend Künstler, Chöre, Blaskapellen erfreuten in der Wiener Stadthalle zehntausend Zuschauer bei freiem Eintritt. Der damalige Jungregisseur Ernst Wolfram Marboe entfaltete sein ganzes Talent, mixte Film- mit Tonkonserven, Scheinwerferbatterien und TV-Großprojektionen. Es wurde so gut wie alles dargeboten, was sich eine österreichische Fremdenverkehrswerbung wünschen konnte. Die Sachertorte und die Wiener Eisrevue, eine Fiakerkutsche und Balletttänzer als Kernstücke österreichischer Identität. Die war damals ja noch höchst umstritten.

„Primitiv, provinziell“

Das ging einmal ganz gut. Im nächsten Jahr war Salzburg dran, aber die solchermaßen beglückten Österreicher schienen übersättigt. In einer wilden Philippika wütete „Die Presse“ nach dem Salzburger Spektakel. Herbert Nedomansky, Chef des Kulturressorts und ansonsten ein britisch-nobler Charakter, konnte sich gar nicht fassen ob derlei Dilettantismus, übrigens wieder von Marboe in Szene gesetzt: „Die Gemeinplätze, die aus dem Munde der Schauspieler kamen, die infantile Allegorie, die sie verkörperten, waren von solcher Primitivität . . .“ Kitsch und Unvermögen prangerte der strenge Kulturpapst an, „Provinzialismus, verschärft durch Primitivität“. Und, so fragte „Die Presse“, „wer hat den Auftrag zu dieser kitschigen Farce gegeben; wer ist dafür verantwortlich, dass dieses schon im Konzept missglückte Spiel realisiert wurde; und wer ließ es zu, dass es tatsächlich über die Bühne und über die Bildschirme lief?“

Klaus war verärgert

Es war der Salzburger Josef Klaus. Er nahm es demütig auf seine Kappe, war zwar verärgert, plante aber nie mehr eine derartige patriotische Großveranstaltung.
Unter der folgenden SPÖ-Alleinregierung versickerte der geistige Gehalt der Nationalfeiertage, wie Peter Diem feststellte. Die Zeit war auch nicht mehr danach, schließlich war die 68er-Studentenrebellion über das friedliche Land hinweggebraust. Die Fitmärsche erreichten zwar noch ungeahnte Teilnehmerrekorde (450.000 waren es 1975), aber sonst beschränkte man sich auf Enqueten, Symposien und wissenschaftliche Kamingespräche.

Eine Chance für das Heer

Bis der Wiener Militärkommandant Karl Semlitsch die Gelegenheit beim Schopf packte, um für die Armee Werbung zu machen. 1995 begann er mit der Bundesheerschau auf dem Heldenplatz, die von Jahr zu Jahr mehr Zuspruch erlangte. Semlitsch hatte erfasst, dass man den Wienern ein Spektakel bieten musste – und das tat er. Zehn Jahre lang war der Generalmajor der unumschränkte Zampano dieser Leistungsschau. Als der ORF im Jahr 2005 erstmals eine Zuschauermenge von einer Million meldete, „hab ich mir gedacht, mehr schaff ich nicht mehr, jetzt geh ich in Pension.“
750.000 Waffennärrische zählte man im Vorjahr. Minister Darabos wird auch heuer die Ehrenformation abschreiten. Nur General Entacher wird fehlen . . .
Als Alternative veranstaltet „Die Presse“ seit 2004 die TV-Gala „Österreicher des Jahres“, bei der herausragende Leistungen in fünf Kategorien gewürdigt werden. Am 26. Oktober ist es wieder so weit.

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