Occupy & Farewell im Fifa-Hauptquartier

Die Welt fiebert der Fußball-WM 2014 in Brasilien entgegen, die Vorbehalte gegen die Wirtschaftsweise des Weltverbandes und Präsident Sepp Blatter werden stärker.

Am 26.Oktober passierte Seltsames in Brasilia. Vor einem Komitee für Erziehung, Kultur und Sport in Brasilia schilderte der englische Aufdeckungsjournalist Andrew Jennings, warum er etliche der höchsten Funktionäre der Weltfußballregierung Fifa der Korruption verdächtigt. 2014 steigt die Weltmeisterschaft in Brasilien und der Brasilianer João Havelange und sein Ex-Schwiegersohn Ricardo Teixeira gehören zu Jennings' Lieblingsthemen. Teixeira organisiert das Weltturnier, er ist Präsident des brasilianischen Fußballverbandes. Teixeira und Havelange mussten sich Jennings' Vortrag also vor der eigenen Haustür gefallen lassen, das markiert möglicherweise einen Wendepunkt im Kampf gegen die halbseidenen Praktiken im internationalen Sport-Business.

Die Dinge kommen ins Rollen. Die Macht des Fifa-Präsidenten Joseph Blatter könnte in absehbarer Zeit zu Ende gehen. Sein Image ist seit den Streitereien und Korruptionsvorwürfen gegen ihn und einige Fifa-Exekutivmitglieder im Vorlauf zur Präsidentschaftswahl schwer angeschlagen.

Die Brasilianer haben die Wahl, eine WM zu organisieren und mit Steuergeld zu alimentieren, an der Teixeira und Havelange und die Fifa-Kamarilla sich satt essen – oder vorher reinen Tisch zu machen. Sie fangen schon an, immerhin. Der ehemalige brasilianische Brieskicker Romario sitzt mittlerweile im brasilianischen Kongress und engagiert sich für die Säuberung des Fußballs von problematischen Figuren und zwielichtigen Geschäftspraktiken. Er interessierte sich ebenfalls für Jennings Ansichten und Rechercheergebnisse. Auf Jennings Homepage (www.transparencyinsport.org) ist ein Gespräch dokumentiert, in dem Jennings dem Ex-Stürmer verklickert, wie Blatter Teixeira und Havelange die WM quasi zur Selbstbedienung servierte.

In der „Süddeutschen“ schrieb Thomas Kistner im August 2011 über einen Vertrag, den Teixeira mit der Fifa über die WM 2014 geschlossen habe. Der Kontakt sichert ihm die Hälfte aller etwaigen Gewinne zu. Verluste freilich würden zu 99,99% zu Lasten des brasilianischen Verbandes gehen. Jennings – und der deutsche Fifa-Spezialist Jens Weinreich – haben einen Namen für die Organisationsform der Fifa, sie halten sie für ehrenwert.

Während Blatter öffentlich von Reformen trompetet, die er innerhalb der „Fifa-Familie“ einleitete, wendet er viel Geld des Verbandes auf, um einen Ermittlungsbericht zu unterdrücken. Acht Jahre lang hatte der Schweizer Staatsanwalt Thomas Hildbrand dafür verwendet, um Schmiergeldzahlungen an Fifa-Funktionäre von rund 100 Millionen Dollar aufzuspüren. Die inzwischen insolvente Agentur ISL berappte die Marie, so Jennings, um im Gegenzug Verträge für die Vermarktung von Weltmeisterschaften zu erhalten. Drei Verdächtige vereinbarten einen Deal mit der Staatsanwaltschaft, zahlten Strafe, spendeten Geld für karitative Zwecke und erhielten dafür die Zusicherung, anonym zu bleiben.

Jennings und andere gehen gegen den „Korruptionsverdunklungsvertrag“ (Weinreich) vor. Laut Jennings hat die Fifa zugegeben, Blatter sei einer der Drei. Für alle Genannten gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Sie sollte kein Hindernis sein für eine Occupy & Farewell Party im Fifa-Hauptquartier in Zürich.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2011)

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