Ankerbrot: Brot-Monopolisten aus Favoriten

Maximilian Lenz 1918, Aus dem Buch
Maximilian Lenz 1918, Aus dem Buch(c) Brandstätter-Verlag
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Ein Brüderpaar Heinrich und Fritz Mendlder „Gründerzeit“ errichtet die größte Brotfabrik Europas, 1891 aus einem Konkurs aufgekauft. Die sozialdemokratische Konkurrenz „Hammerbrot“ wurde aus dem Feld geschlagen.

Endlich wieder daheim! Während der Familienvater den Wasserhahn betätigt, schneidet das Hausmütterchen bereits den frischen Brotlaib an. „Worauf freut sich der Wiener, wenn er vom Urlaub kommt?“, fragte der Werbetext in den Fünfzigerjahren. Die Antwort bedurfte keiner Worte: auf Hochquellwasser und Ankerbrot.
Die größte Brotfabrik Europas stand in Wien. Das Brüderpaar Heinrich und Fritz Mendl hatte sie aufgebaut, 1891 aus einem Konkurs aufgekauft. Die völlig Branchenfremden hatten das richtige Gespür für Produktions- und Vertriebsabläufe. Sie beschränkten sich auf einen einzigen Brottyp, während ihr Vorgänger noch voll Bäckerstolz sechzig Sorten angeboten hatte.
Zwölf Minuten brauchte ihre erste Teigmaschine für die Verarbeitung einer Teigmenge, die vorher zwei Menschen 45 Minuten lang kneten mussten. Trotzdem war die menschliche Arbeitskraft nicht gänzlich zu ersetzen. Es gab „Auswieger, Zusammendreher, Presser und Schleifer, Stauber und Umdreher, Stanzer, Wegsetzer, Einsteller und Ofenheizer“. Freilich: Das waren keine Bäckerei-Facharbeiter mehr, sondern billige ungelernte Hilfskräfte.
Im Jahr 1900 zählte Ankerbrot bereits hundert Filialen in Wien. Dazu kamen immer mehr Greißler, die Ankerbrot im Laden führten. Vor dem 1. Weltkrieg immerhin an die sechstausend. Dieses rasante Wachstum erforderte eine neue Fabrik in Favoriten, die in der Absberggasse errichtet wurde. Der Betrieb auf dem Keplerplatz wurde aufgegeben.
Mit einem Marktanteil von fast fünfzig Prozent stellte die Ankerbrotfabrik der Mendls eine wirtschaftliche Macht dar. Sie konnte den Preis diktieren. Was zur Folge hatte, dass die Sozialdemokraten mit ihrer Konsumgenossenschaft 1910 „Hammerbrot“ gründeten, den modernsten Betrieb seiner Zeit und einen Wallfahrtsort für die Wiener Arbeiterschaft. Doch selbst in den besten Jahren machte „Hammer“ nur halb so viel Umsatz wie „Anker“. Die hohen Transportkosten schmälerten obendrein den Gewinn. Auch der Weltkrieg änderte nichts an der marktbeherrschenden Stellung der Mendls. Freilich: Ein dunkles Kapitel in der Firmengeschichte bleibt der Sensationsprozess des Jahres 1925: Wegen Preiswuchers während des Krieges setzte es gegen den Geschäftsführer Arthur Fried eine Gefängnisstrafe. Dass dabei antisemitische Untertöne vernehmbar waren, versteht sich von selbst.
Die reichen Mendl-Erben zogen sich in zwei Villen in der Döblinger Cottage zurück, die Fabrik erlebte turbulente Jahre, wurde 1938 „arisiert“ und von einem Nazi-Putschisten des Jahres 1934 geleitet, und so wurden laufend beträchtliche Verluste „erwirtschaftet“. Im Krieg schließlich wurden die Absatzgebiete aufgeteilt. Die Bezirke jenseits der Donau gehörten zu „Hammer“, der Rest wurde von „Anker“ beliefert. Nach 1945 erhielten die Mendl-Nachkommen ihre Aktienpakete zum Teil zurück, letztlich verkauften sie aber.
1970 fusionierten Hammer und Anker, dann bekam die Besitzerfamilie Schoeller massive Probleme in anderen Firmenbereichen und gliederte die Fabrik aus. Die zahlreichen Besitzerwechsel der jüngsten Jahrzehnte sind noch in guter Erinnerung. Schuster und Müller-Brot waren dabei nur zwei Namen. Seit 2006 schreibt das Unternehmen nun wieder schwarze Zahlen.

Christian Rapp, Markus Kristan
Ankerbrot
Die Geschichte einer großen Bäckerei
Brandstätter-Verlag,
160 Seiten Großformat, 19,90 Euro

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