Das Stuhleck, Wiege des Skisports

120 Jahre: Am 8. Februar 1892 fand eine denkwürdige Erstbesteigung statt. Mürzzuschlag erinnert sich stolz an seine Skipioniere Max Kleinoscheg und Toni Schruf.

Vor 120 Jahren, am 8. Februar 1892, bestiegen der Wein- und Sekthändler Max Kleinoscheg aus Graz, der Postler Walter Wenderich aus Bruck und der Gastwirt Toni Schruf aus Mürzzuschlag das 1782 Meter hohe Stuhleck. Aber nicht mit den üblichen Schneereifen, sondern erstmals mit Skiern. Auf dem Gipfel angekommen, gründeten die Freunde den „Verband steirischer Schiläufer“ (der freilich erst im Jahr darauf amtlich und behördlich besiegelt wurde). Und am 2. Februar 1893 veranstalteten sie das erste Skirennen Mitteleuropas.

Die „Österreichische Touristenzeitung“ berichtete wenig später von der sensationellen Tour: „Den Weg über Schöneben zum Bettelbauer, der gegenwärtig zu Fuß nicht unter vier Stunden zu machen ist, legte der Skifahrer Schruf in 11/2 Stunden zurück. Bemerkenswert erscheint, daß das Stuhleck heuer stellenweise eine Schneetiefe von 8–10 m aufweist. [. . .] Die Abfahrt vom Schwarzriegel nach Mürzzuschlag vollzog sich in einer Stunde. Dieser die turnerische Gewandtheit fördernde Sport findet in Mürzzuschlag immer mehr Anhänger und dürfte schon im nächsten Winter durch die Bediensteten der dortigen k.k. Forst- und Domänenverwaltung bei ihren Dienstgängen praktisch angewendet werden . . .“

Für Hannes Nothnagl, den Leiter des Wintersportmuseums in Mürzzuschlag, ist das der Startschuss für den organisierten Skisport in Ostösterreich gewesen. Freilich gab es zahlreiche Versuche schon davor. Aber immer wieder taucht der Name Max Kleinoscheg auf, der ein rechter Supersportler gewesen sein dürfte. Er war Schwimmer, Eisläufer, fuhr auch Radrennen.

Die Norweger als Vorbild

Kleinoscheg schildert in seinen Memoiren haarklein die eigenen Anfänge im November 1888: Beim Abstieg vom Hochschwab sei er ständig im Harsch eingebrochen. „Als ich wieder einmal bis zur Uhrkette im Schnee stak, löste sich der Seufzer: ,Herrgott, wenn's nur einen breitkufrigen Schlitten gäbe, auf dem man hinabfahren könnte, wenn der Schnee brüchig wird!‘ Mit dem Eilzug um 1 Uhr nachts in Graz ankommend, ging ich noch ins ,Café Thonethof‘ auf einen Tee. Der Kellner bringt ihn und zugleich die ,London News‘ – ich schlage die erste Seite auf, und was sehe ich? Einen Skiläufer einen Hang herabsausend, mit der Überschrift ,Sport in Norway!‘“

Trotz seiner Müdigkeit schrieb Kleinoscheg noch in derselben Nacht an Nicolay Noodt in Trondheim, er möge ihm sofort solch ein Paar Ski schicken, samt Gebrauchsanleitung. Koste es, was es wolle!

Bereits nach sechs Wochen war der wohlhabende Sportsmann im Besitz der ersten Brettln samt Anleitung: Man benötige zur rechten Anwendung einen langen Bergstock mit einer zwanzig Zentimeter großen Scheibe – zum Bremsen.

Diese Einstocktechnik predigte auch zur ähnlichen Zeit der Lilienfelder „Skipapst“ Mathias Zdarsky, der 1897 das erste Skilehrbuch auf den Markt brachte. Kleinoscheg und Schruf in der Steiermark waren davon aber wieder abgekommen und so ähnlich ausgerüstet, wie sich noch in den Sechzigerjahren die Skiläufer abbilden ließen – mit zwei Stöcken, an denen breite Schneeteller befestigt waren. Toni Schruf war ein schlauer Hotelier: Er begriff, dass die Skiläufer eine neue Klientel für einen Wintertourismus sein könnten, den es erst aufzubauen galt, und engagierte die ersten Skilehrer.

Der Pionier vom Kaltenbachtal

Im Jahre 1950, so schildert Nothnagl, erschien ein alter Mann im Wintersportmuseum. Der Mürzzuschlager Karl Brenner spendete ein Paar gebogene Holzlatten, die er sich 1888 als 19-jähriger Holzknecht im Kaltenbachtal oberhalb von Spital am Semmering gebastelt hatte. In halsbrecherischer Fahrt sei er so über den „Abgrundschnee“ gesaust, gab er an. Das Sportgerät hat einen Ehrenplatz im Museum.

Der Holzknecht hatte seine Latten ebenfalls nach einem Bild gefertigt, das einen Norweger auf Skiern im Pelzanzug zeigte. Nur mit der festen Verbindung des Schuhs mit dem Ski haperte es überall. Lederriemen gaben dem Fuß zu wenig Halt. Hier war Zdarsky eindeutig der Pionier: 1890 entwickelte er die „Stahlsohlenbindung“, die erstmals Kurven und das Befahren von Steilhängen ermöglichte. Nothnagl: „Wenn Schruf unser Apostel des Skilaufs ist, so gilt Zdarsky als Vater des methodischen Skifahrens.“

Die Lokalzeitungen, stets auf der Jagd nach Storys, fanden den neuen Sport bald für berichtenswert. So berichtete der „Obersteirer“ von einem Herrn Rohrbüller, dem der Arzt „Schlittenkufen für die Füße“, also Ski, verordnete. „Die ersten Proben verliefen gut, doch dann stürzte er in eine Grube und wollte nichts mehr wissen von den Marterwerkzeugen. Die wiederkehrenden Schmerzen brachten ihn zu neuerlichem Üben. Ein wild gewordener Stier verfolgte ihn, Rohrbüller floh, war dank der Bretteln schneller als sein Verfolger und vermochte sich über einen Bach in Sicherheit zu bringen. Darauf trat er begeistert einem Skiverein bei.“

Und die Grazer „Tagespost“ (Gott hab sie selig) berichtet von einer treuen Dogge, die ihr Herrl aus einer Schneewächte rettete, indem sie den Skifahrer „beim Kragen seines unverwüstlichen Lodenrockes herauszog“. Leider verlor das aufopferungsvolle Tier bei der Aktion drei Vorderzähne, aber es bekam vom dankbaren Herrl ein neues Gebiss spendiert.

Erste Versuche in Neuwaldegg

In Wien war es 1891 der Freiherr von Wangenheim, der – obwohl schon neunzig – einen Skiklub gründete, also noch vor den Steirern. Die ersten publicityträchtigen Versuche gab es auf den Hängen rund um Neuwaldegg bis hinauf zum „Hameau“, wo Jünglinge des „Gersthofer Männerturnvereins“ tollkühne Abfahrten probierten. 1893 bestiegen Wiener erstmals die Rax mit Skiern, 1896 wurde das „1. internationale Schiwettfahren“ in Pötzleinsdorf veranstaltet, welches den Verkauf von Skiern ankurbelte.

Heute ist die Hohe-Wand-Wiese im 14.Bezirk ein Dorado der Skifans, wenn auch nur 400 Meter lang. 1986 fand dort sogar ein Weltcup-Parallelslalom statt. Und das Stuhleck, wo alles begann, ist heute quasi der „Hausberg“ der Wiener, der Ungarn und Slowaken.

Mürzzuschlags Museum

Das „Winter!Sport!Museum!“ in Mürzzuschlag birgt die weltweit größte Sammlung von Wintersportgeräten. Auf 1000 Quadratmetern eröffnen sich fantastische Welten, modern und ansprechend präsentiert. Die älteste Skihütte (1899) wurde originalgetreu nachgebaut.

Öffnungszeiten: Tel.: 03852/3504 oder office@wintersportmuseum.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.