Kritik an „föderaler Staatsmedizin“

(c) Dapd (Ronald Zak)
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Das Steuer- und Sparpaket wird am Dienstag im Ministerrat beschlossen. Bis dahin könnte es noch kleinere Änderungen geben – etwa bei der Kündigungspönale.

Wien/Red./Apa. Die Regierung wird das Steuer- und Sparpaket am Dienstag im Ministerrat beschließen. Heute, Freitag, trifft sich die sechsköpfige Koordinierungsgruppe ein letztes Mal. Gravierende Änderungen wurden am Donnerstag aber ausgeschlossen. SPÖ und ÖVP wollen weder die Kürzung der Bausparprämie zurücknehmen, noch Abstriche in anderen Bereichen machen. Möglich ist jedoch, dass bei der Kündigungspönale (gegen die Tourismus und Bauern Sturm laufen) bzw. bei der Einschränkung der Altersteilzeit noch Ausnahmen geschaffen werden.

Die Kritik am Entwurf hielt am Donnerstag weiter an. Ärztekammer-Präsident Walter Dorner arbeitete sich am Gesundheitskapitel ab: Er sehe „keinen Reformeffekt“. Einsparungen in der Höhe von 3,5 Milliarden Euro bis 2016 bedeuteten einen massiven Eingriff ins Gesundheitswesen. Dorner kritisierte, dass es nur um finanzielle Interessen gehe, vom Patienten aber keine Rede sei. Die geplante Begrenzung der Kostensteigerungen auf die Höhe des Wirtschaftswachstums kann er nicht nachvollziehen. Es stelle sich die Frage, was geschehe, wenn die Wirtschaft nicht wachse: „Kürzt man dann Leistungen?“

Außerdem befürchtet Dorner, dass den Ländern mehr Macht zukommt: Es drohe eine „föderalisierte Staatsmedizin“. Die Ärztekammer will keine gemeinsame Planung von Spitals- und niedergelassenem Bereich (wie von der Politik vereinbart), sondern eine Finanzierung aus zwei Quellen. Dorner bekräftigte sein Modell, wonach der Spitalsbereich ausschließlich aus Steuermitteln finanziert werden sollte, der ambulante Bereich inklusive Spitalsambulanzen und niedergelassenen Ärzten von den Krankenkassen.

Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) müsste nach Ansicht Dorners „zurücktreten“ – weil er Heeresspitäler schließen wolle. Das sei eine Verletzung der Dienstpflicht, denn Darabos hätte für die beste medizinische Versorgung zu sorgen, so der frühere Chef des Wiener Heeresspitals.

AMS-Vorstand Johannes Kopf meldete sich inzwischen mit einem anderen Anliegen zu Wort: Die geplante Kündigungsabgabe von 110 Euro pro aufgelöstem Dienstverhältnis geht ihm nicht weit genug. Kopf plädiert für eine gestaffelte Abgabe. Wer eine billige Teilzeitkraft kündigt, würde demnach bei Vertragsauflösung weniger zahlen als ein Firmenchef, der einen Spitzenverdiener abbaut. „Man könnte das auf die Beitragsgrundlage abstellen“, sagte Kopf im „Standard“.

Expertenhearing Mitte März

Das Steuer- und Sparpaket wird am Dienstag gemeinsam mit dem Finanzrahmen für die Jahre 2013 bis 2016 beschlossen. Danach wandert das Konvolut ins Parlament. Im Budgetausschuss wird es am 14. März einem Expertenhearing unterzogen. Im Nationalrat soll das Gesetz dann am 28. oder 29. März verabschiedet werden. Geplant wäre, dass die Neuerungen mit 1. April in Kraft treten.

69 Prozent der Österreicher halten die geplanten Maßnahmen für unausgewogen und ungerecht. Das zeigt eine Umfrage des „market“-Instituts für das ORF-Magazin „Frühlingszeit“. 86 Prozent meinen, dass das Paket nicht ausreichen wird, um die Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2012)

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