Hudal, der "braune Bischof": Deutsch, aber NS-Gegner

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Der einstige Rektor der „Anima“ in Rom zur Zeit der Päpste Pius XI. und XII.

Wien/Hws. Als „Treppenwitz der übelsten Art“ bezeichnet Christian Blankenstein den Umstand, dass gerade jener Bischof, der sich in der römischen Kurie schon frühzeitig gegen den Nationalsozialismus ausgesprochen habe, heute als „Nazibischof“ gelte. Blankenstein hat sich in seinem neuesten Werk über 15 interessante Österreicher mit Alois Hudal intensiv beschäftigt. Er ist quasi vom Fach – als Historiker und altkatholischer Theologe.

Der gebürtige Grazer Hudal (1885–1963) war, wie bekannt, Rektor des deutschen Priesterkollegs „Santa Maria dell'Anima“ in Rom, Titularbischof von Aela. Gegen Ende des Krieges half er tatkräftig mit, den Zugriff der Gestapo auf versteckte römische Juden zu stoppen, nach dem Krieg – und das ist der Vorwurf bis heute – half er untergetauchten Nazigrößen zur Flucht nach Übersee.

So leicht macht sich Blankenstein die Sache nicht. Er arbeitet heraus, wie Hudal in Gutachten für den Papst und das Kardinalskollegium Nietzsche als philosophischen Wegbereiter des Nationalsozialismus betrachtete und ihn auf den Index der verbotenen Bücher setzen lassen wollte. Die NS-Rassenlehre war für den großdeutsch gesinnten Österreicher „in ihrer Überspitzung ein neuer Einbruch des Materialismus in unsere deutsche Geisteskultur“. Das war 1936. Das Berliner SD-Hauptamt betrachtete ihn folgerichtig als „schärfsten Gegner des NS“.

Am 9. April 1938 stimmten die Auslandsösterreicher über den „Anschluss“ ihrer Heimat an das Deutsche Reich in Rom ab. Das erstaunliche Ergebnis: 99 Prozent Nein-Stimmen. Man darf annehmen, dass auch Hudal dabei war.

Hilfe auch für NS-Verbrecher

Als der Krieg zu Ende ist, beginnt das seltsamste Kapitel im Leben Hudals. Er bleibt bei seiner Überzeugung, dass nicht jeder Nazi automatisch ein Kriegsverbrecher war, wie es „Kommunisten und christliche Demokraten“ behaupteten. Also hilft er mit falschen Ausweispapieren mehreren Nazi-Funktionären zur Flucht aus den Anhaltelagern. So auch dem Chef des KZs Treblinka, Franz Stangl. Der Vizegouverneur in Polen, General von Wächter, stirbt in Rom in Hudals Armen.

Der Vatikan will Hudal längst von der „Anima“ entfernen. Als ihm Kardinal Montini (später Papst Paul VI.) wegen Wächter eine Standpauke hält, entgegnet Hudal: „Wenn diese meine Haltung im Falle Wächter nicht Christentum, und zwar heroisches darstellt, dann habe ich mich in der Wahl dieser Religion geirrt.“

1951 bitten die österreichischen Bischöfe Hudal, „ein ganz großes Opfer für die Kirche in Österreich“ zu bringen – Hudal tritt ab. Salzburgs Erzbischof Rohracher sollte später mitteilen, dass er auf Druck aus Rom diesen Brief unterzeichnet habe.

Ob Papst Pius XII. den Abschiedsbrief je zu Gesicht bekam, ist ungewiss. Darin lässt Hudal seiner Empörung freien Lauf:
„ . . . pharisäische Behandlung . . . mein Glauben an eine Gerechtigkeit der römischen Kurie ist zerstört . . . Was haben einfache Priester von einem solchen System der Willkürherrschaft zu erwarten, wenn Bischöfe dieser Behandlung ausgesetzt sind?“

Seine letzte Ruhestätte fand der als „brauner Bischof“ Verfemte 1963 auf dem Campo Santo Teutonico im Grab seiner Mutter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2012)

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