Jüdische Studenten in schlagenden Verbindungen

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Leserbriefe. Nicht nur Egon Erwin Kisch focht Mensuren. Aber Kreisky kam als Hochschüler nur einmal auf eine „Bude“.

In dem Artikel „Der junge Kreisky auf der Studentenbude“ („Die Welt bis gestern“ vom 10.März) erwähnt der Autor die 1985 in Wien veranstaltete Egon-Erwin-Kisch-Kneipe zu Ehren des „rasenden Reporters“, der – obwohl aus einer jüdischen Familie stammend – ebenso wie sein Bruder Mitglied der schlagenden Burschenschaft „Germania“ in Prag war. Die Idee zu dieser Kneipe stammt von mir, da ich mich damals als Corpsstudent und Soziologe mit Egon Erwin Kisch intensiv beschäftigt habe. Dies teilte ich dem Freund Fritz Roubicek, der Mitglied der einstigen jüdisch-nationalen Wiener Verbindung „Unitas“ war, und dem ebenfalls leider schon verstorbenen Studentenhistoriker Dr. Robert Hein, Mitglied des liberalen Corps „Marchia“, mit. Zu erwähnen ist, dass Fritz Roubicek ein schönes Buch über die Wiener jüdischen schlagenden Verbindungen geschrieben hat („So streng war'n dort die Bräuche – Erinnerungen eines jüdisch-nationalen Couleurstudenten“). Die Kneipe fand im „Martinschlössel“ in Hernals statt, im Verbindungshaus einer CV-Verbindung. Ehemalige schlagende jüdische Studenten waren gekommen, schlagende Burschenschafter, Corpsstudenten, CVer und MKVer. Darunter war auch ein Freund von Fritz Roubicek, der amerikanische Diplomat Edmund Schechter, der auf dem Weg von den USA nach Israel in Wien Station gemacht hatte. Herr Schechter, auch ehemaliges Mitglied einer jüdischen farbentragenden und schlagenden Verbindung, freute sich sehr über die Kneipe. In einem Brief schrieb er mir u.a., dass er seinen Freunden in Israel begeistert von dieser Veranstaltung erzählt habe.

Einige Zeit später erhielt ich von Herrn Schechter wieder einen Brief mit einem Bild, das in Jerusalem aufgenommen wurde (siehe unten, Anm.). Als Fritz Roubicek, der einige Jahre im KZ Auschwitz verbracht hatte, starb, wurde ich von seiner Frau, Lilly, gebeten, auf dem Zentralfriedhof die Abschiedsrede für ihn zu halten. Anwesend waren wiederum farbentragende Mitglieder von Wiener Studentenverbindungen. Zum Abschied sangen wir gemeinsam das schöne Lied fahrender Studenten „Vale universitas, bursa et taverne“ (Auf Wiedersehen Universität, die Burse und Taverne).
Roland Girtler


Auch von Mitgliedern des katholischen Cartellverbands (CV) ist bekannt, dass sie trotz kirchlich verhängten Mensurverbots bisweilen „Genugtuung“ gaben oder nahmen.

In einer Zeit, da viele Politiker und Manager, die Leitbilder des Volkes sein sollten, keine Verantwortung für Missmanagement und Fehler mehr übernehmen wollen und bestenfalls auf Druck zurücktreten, klingt „Genugtuung geben“ natürlich anachronistisch, wie ein Relikt aus einer längst vergessenen Welt. Aber hätte es nicht auch heute etwas Vorbildliches, für sein Verhalten einzustehen?

Vielleicht sollten jene, die an Verantwortungsbewusstsein, Anständigkeit und Ehre glauben, sich die Regeln und Ideale des jahrhundertealten Comments der Studentenverbindungen von Neuem anschauen. Manches davon mag ja überholt klingen, aber vielleicht können wir auch heute noch die eine oder andere Weisheit daraus ableiten. DDr. Karl-G. Heinrich
1010 Wien

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2012)

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