Piraten könnten Rot-Grün ermöglichen

Die Chancen der neuen Parteien werden gering eingeschätzt. Falls der Einzug ins Parlament klappt, hätten die Piraten aber Machtfaktor-Potenzial. Theoretisch.

Wien/Uw. Die Zahlen klingen eindrucksvoll: Einer „Profil“-Umfrage zufolge kann sich ein Viertel der Österreicher vorstellen, die Piraten bei der nächsten Nationalratswahl zu wählen. Zumindest prinzipiell.

Zu bedeuten hat das aber wenig – „außer, dass es den Wunsch nach Neuem gibt“, sagt Peter Ulram, Meinungsforscher am Institut „Ecoquest“. Er selbst schätzt das theoretische Potenzial für neue Parteien im Land auf fünf bis fünfzehn Prozent. Dass es realisiert werden kann und eine neue Partei 2013 die Vier-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament nimmt, glaubt er aber nicht – „zumindest wenn man danach geht, wie sich die Gruppen zurzeit darstellen“. Soll heißen: ohne aussagekräftiges inhaltliches Programm.

Am ehesten traut er den Erfolg den Piraten zu – „wenn sie sich an dem deutschen Beispiel orientieren“. Sie würden dann von allen Parteien Stimmen abziehen, aber in erster Linie den Grünen, der FPÖ und dem BZÖ schaden, weil man ähnliche Zielgruppen anspricht: Junge bzw. Unzufriedene.

Billige oder teure Mandate

Aber egal, ob es „die Neuen“ schaffen oder nicht – ihr Antreten macht bei der Wahl einen Unterschied. Es beeinflusst nämlich den „Wert“ der umkämpften Mandate, die ab 2013 ohnehin knapper werden und von 183 auf 165 reduziert werden könnten. Ulram erklärt die rechnerische Auswirkung neuer Parteien anhand von zwei Szenarien.

Erstens: Angenommen, es treten zwar viele neue Parteien an, aber es schafft keine – und im Extremfall scheitert auch noch das BZÖ. Dann dürfen sich die großen Parteien freuen. Sie teilen nur durch vier und weil Wählerstimmen „verloren gehen“, werden die Mandate billiger. Sprich: Es reichen weniger Stimmen für ein Mandat. Derzeit, schätzt Ulram, braucht man für die Gesamtheit der Mandate 95 Prozent aller Stimmen. In dieser Variante wären es dann vielleicht bloß 85 Prozent.

Das zweite, diametrale Szenario ist für ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne eher unangenehm: Kommen zum BZÖ neue Parteien dazu, muss man mit mehreren teilen und die Mandate werden teurer. Für alle Mandate bräuchte es, schätzt Ulram, 97 Prozent der Stimmen. Spannend würde es, wenn das BZÖ durch eine neue Partei ersetzt würde, etwa die eher linken Piraten. Es könnte zu neuen Regierungsvarianten kommen. Nämlich dann, wenn sich eine SPÖ-ÖVP-Koalition nicht ausgeht und sonst nur eine Regierung mit der FPÖ bleibt. (Schwarz-Rot-Grün schließt Ulram eher aus, weil das „zur Zerreißprobe für die ÖVP würde“). In dieser Situation könnten die Piraten zum Machtfaktor werden. Denn: „Mit ihnen könnte sich Rot-Grün eventuell knapp ausgehen“, sagt Ulram.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Leitartikel

Die italienischen Verhältnisse Österreichs

Österreich und seine Parteienlandschaft ähneln in manchem dem Italien der frühen 1990er-Jahre. Und sind doch leider und/oder zum Glück ganz anders.
Innenpolitik

Do it yourself: Leitfaden zur Gründung einer Partei

Von der Hinterlegung der Satzung bis zur Erlangung von Rechtspersönlichkeit: eine Anleitung.
Innenpolitik

Meuterei in der Piratenpartei

Nach dem Chaos bei der Generalversammlung haben die Piraten auch Probleme mit ihren Landesorganisationen. Die Abneigung zwischen der PPÖ und der PPT sitzt tief.
Symbolbild: Internet
Politik

"Onlinepartei" will 6,4 Millionen Nationalräte

Die Partei will sich zu direkter Demokratie verpflichten. Die Meinung der Mehrheit soll per Internetvotum gefunden werden und für die Partei bindend sein. Österreichs Politik sei "sehr undurchsichtig und willkürlich".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.