Herr Udo hielt sie alle am Schmäh

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Korruption seit 1945 (5). In der Kreisky-Ära wickelte die linke Schickeria ihre Deals am Kohlmarkt ab. Die „Sozis“ wollten auch ein elitäres Netzwerk wie die „Schwarzen“.

An den legendären „Club 45“ will sich heute keiner mehr gern erinnern. Viele der damaligen Akteure sind in Pension oder tot oder noch hohe Beamte. Eine österreichische Seilschaft war es, ein rotes Netzwerk, 1973 von Udo Proksch gegründet. Der Vor-, Nach- und Mitdenker Heinz Fischers, Bruno Aigner, qualifizierte den Klub einmal öffentlich als „Eiterbeule“ – er bekam im Laufe seiner gesamten Karriere nie ein SPÖ-Nationalratsmandat.

Der „Club 45“ sollte ein linker Herrenklub werden, dem nach und nach fast alle Spitzen der österreichischen Politik (SPÖ) und Wirtschaft der Siebzigerjahre angehörten. Auf dem Höhepunkt, in der Zeit der absoluten Mehrheit der SPÖ, traf einander hier die neue Elite Österreichs. In seinen besten Tagen zählte der Klub 300 Personen: „Lauter hochanständige, honorige Persönlichkeiten“, wie Bruno Kreisky anfangs betonte. Er persönlich vermied den Kontakt – die zwei Besuche tat er rasch ab. Irgendwas störte ihn an den hier versammelten Neureichen.

Ausgerechnet im Demel

Seinen Sitz hatte der „Club 45“ im zweiten Stock der k. u. k. Hofzuckerbäckerei Demel zu Wien, die sich Udo Proksch über Strohleute angeeignet hatte. Gerüchte machten die Runde, Proksch hätte dort das Treiben der Mächtigen mit versteckten Kameras mitgefilmt. Mit Erpressung sei es ihm gelungen, die Ermittlungen über sein Mordkomplott „Lucona“ verzögert haben. Vor der Verurteilung rettete es ihn aber letztlich doch nicht.

Dem Klub gehörten unter anderem die damaligen Minister Karl Blecha, Helmut Zilk, Karl Sekanina, Günther Haiden, Herbert Salcher, Franz Kreuzer, Willibald Paar, Gerhard Weißenberg, Karl Lausecker, Erwin Lanc, Leopold Gratz und Karl (Freiherr von) Lütgendorf an. Heinz Fischer, Hannes Androsch und Franz Vranitzky waren eine Zeit lang Mitglieder.

Der Monatsbeitrag war angesichts der „Promi-Dichte“ sensationell gering: dreihundert Schilling! Immerhin gingen hier auch die Spitzen der staatsnahen Firmen ein und aus: Walter Flöttl, Karl Vak, Helmut Kienzl, Theodor Mellich, Otto Binder, Erich Göttlicher, Walter Fremuth, Kurt Meszaros, Heribert Apfalter, Johann Buchner. Bekannte Advokaten und Künstler gesellten sich dazu. Ein Richter (Karl-Heinz Demel), karrieregeile ORF-Journalisten und Wiens Polizeipräsident Karl Reidinger vervollständigten das Netzwerk.

Dass auch ein hoher Offizier des Heeres-Nachrichtenamtes die Promi-Mitgliederliste schmückte, war für den gebürtigen Rostocker Udo Proksch überlebenswichtig. Denn genau dieses HNA führte seit 1. Juni 1976 unter der Zahl 84-Verschl-HBeschA/76 einen „Verschlussakt“ über Personen, die im Zusammenhang mit illegalem Waffenhandel genannt wurden. Fünfzig Personen waren in dem Akt aufgeführt, an 25. Stelle Serge Kirchhofer (alias Udo Proksch), berichtete der Journalist Hans Pretterebner.

Es war die Zeit, als Österreichs Sozialisten, bis dahin als Koalitionäre stets im Schatten der konservativen Volkspartei, im Bund allein an die Macht kamen – und Proksch, der viele prominente Genossen zu seinen Freunden zählte, sah seine große Chance: „Jetzt kommen die Proleten ans Ruder, und ich verschaffe ihnen, was sie nicht haben, ein Ambiente, in dem sie tanzen, fressen und saufen können – aber tanzen werden sie nach meiner Pfeife“, prahlte er einmal, als er über eine besonders Anhängliche seiner vielen Freundinnen von Adel die Hofzuckerbäckerei kaufte.

„Jetzt kommen die Proleten ans Ruder . . .“

Der „Herr Udo“

Udo Proksch konnte sich, als Kabinettsmitglieder noch ständig in seinem Klub zu Gast waren, etwa des österreichischen Heeresarsenals bedienen, als sei es sein privates Rüstzeug. Es war unglaublich, was etwa der „Wochenpresse“-Mann Gerald Freihofner zutage förderte, ohne dass etwas passierte. Der Verteidigungsminister war nicht nur – mit Gratisaktien beschenkter – Teilhaber jener Proksch-Firma, die das „Lucona“-Betrugsgeschäft abwickelte. Er gestattete dem Freund Udo, der in den Dossiers der Heeresabwehr längst als Agent östlicher Geheimdienste und illegaler Waffenhändler geführt wurde, per Minister-Ukas volle Selbstbedienung bei den Streitkräften.

Waffennarr Proksch, dem sein eigener Waffenpass Nr. 008216 bis zu seiner Flucht nie entzogen wurde, obwohl er sturzbetrunken mit seiner Pistole herumballerte und im „Sacher“ Lokalverbot hatte, durfte beim Heer nicht nur Kampfflugzeuge mitfliegen und Panzer fahren. Einen steuerte er irgendwann von Baden nach Wien und stellte ihn mitten in der Stadt ab.

Der Kuchenbäcker kaufte dem Bundesheer zu Diskontpreisen so viel Kriegsmaterial ab oder erhielt es vom Kameraden Lütgendorf gar als Leihgabe, dass seine private Luftwaffe Mitte der Siebzigerjahre aus acht zum Teil noch voll einsatzfähigen Maschinen bestand: zwei Düsentrainern „Vampire“ D.H.115, zwei Jagdbombern Saab J 29 F, einer Fouga „Magister“, einer Pilatus und zwei schrottreifen „Starfightern“, Letztere aus der Bundesrepublik.

Proksch wollte damit angeblich ein „Militantprojekt“ aufziehen, eine Art Disneyland fürs Soldatenspielen. Dazu hatte er wieder einmal einen Verein namens CUM gegründet („Civil und Militär“). Zum Vizepräsidenten machte er den damaligen ORF-Sportchef und späteren Generalintendanten, Teddy Podgorski, der nachträglich alles als „b'soffene G'schicht“ abtat.

Als aus den großen Plänen nichts wurde, verramschte Proksch einen Teil des Arsenals an ausländische Abnehmer – vornehmlich nach Afrika. Restschrott wurde auf das Schiff „Lucona“ verladen und zum über hundertfachen Wert versichert.

Die „Lucona“ – das war zu viel

Die Ereignisse rund um die „Lucona“ im Indischen Ozean sind allgemein bekannt. Zuerst stand 1987 das Buch Hans Pretterebners, das ein politisches Erdbeben auslöste. Bei der Explosion des Transportschiffs kamen immerhin sechs der zwölf Besatzungsmitglieder ums Leben. Es ging also nicht mehr um einen plumpen Versicherungsbetrug, es ging um sechsfachen Mord und sechsfachen Mordversuch.

1988/89 brachte den früheren Außenminister Gratz und Innenminister Blecha in die Bredouille, sie traten zurück. Die juristische Aufarbeitung des Vorfalls dokumentiert heute noch die Dimension dieses politischen Skandals: Insgesamt 16 Politiker, Juristen und Spitzenbeamte wurden von ihren Posten entfernt, angeklagt oder verurteilt. Über den seltsamen Tod des inzwischen pensionierten Verteidigungsministers Lütgendorf wird bis heute spekuliert.

1992 wurde der „Club 45“ endgültig vereinsrechtlich aufgelöst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2012)

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