Renée Schroeder verlässt die Akademie der Wissenschaften

(c) Michaela Bruckberger
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Die Molekularbiologin tritt aus der Gelehrtengesellschaft aus, weil sie dort die Förderung wissenschaftlicher Exzellenz vermisst.

„Meine Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren bei der ÖAW gemacht habe, haben mich davon überzeugt, dass es der Gelehrtengesellschaft der ÖAW weder um die Förderung von Exzellenz noch um wissenschaftliche Erkenntnisse geht. Aus Solidarität mit jenen exzellenten WissenschaftlerInnen, denen es wegen ihres kulturellen Hintergrundes oder ihrer politischen Einstellung nicht möglich ist, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden, lege ich meine Mitgliedschaft zurück.“ Mit diesen Worten begründete die Molekularbiologin Renée Schroeder in einem Brief an das Präsidium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ihren Austritt aus der Forschungsgemeinschaft, zu der sie selbst 2003 als zweite Frau überhaupt Zutritt erhalten hatte.

Lange war Schroeder, die für ihre eigenen wissenschaftlichen Leistungen 2003 mit dem höchsten heimischen Forschungpreis („Wittgenstein“) und für die Vermittlung ihrer Arbeit 2002 als „Wissenschafterin des Jahres“ ausgezeichnet worden ist, in der Öffentlichkeit dafür bekannt, dass sie gegen die „gläserne Decke“ anrannte, die Frauen auch in der Forschung den Weg nach ganz oben versperrt. Sie selbst hat ihn geschafft, eben auch in der Männerinstitution, der sie nun wieder den Rücken wendet.

Zu viele CV-Mitglieder

Dabei geht es ihr nicht um die Rolle der Frauen, sondern um die ganze Institution. Die mangelnde Exzellenz der Forschung der ÖAW hat nach Schroeders Ansicht ihren Grund in nicht nachvollziehbaren Entscheidungen bei der Wahl bzw. Ernennung neuer Mitglieder. Sie moniert, dass „die Mitglieder der Jungen Kurie nicht wahlberechtigt sind, während unbegrenzt viele nicht mehr aktive Wissenschaftler das Geschehen der ÖAW bestimmen“. Damit regiere nicht nur eine Seilschaft das Alters, sondern auch eine politische: „Meines Wissens sind 61Prozent der ÖAW-Mitglieder auch Mitglieder vom CV (Cartellverband)“, meint Schroeder, die diese Zahl allerdings nicht garantieren kann.

Die Kritik geht nicht an die gesamte Akademie: Es gäbe dort auch viele „tolle Leute, die kämpfen und kämpfen“. Die Stimmung beim letzten Wahltag sei aber „am Boden“ gewesen. Viele hätten sie zum Bleiben aufgefordert, doch sie habe den Optimismus verloren, etwas von innen verändern zu können. Schroeder empfahl auch anderen Akademiemitgliedern, über einen Austritt nachzudenken. Käme es dazu, hätte die Akademie neben der übermächtigen Konkurrenz – vor allem durch das wohldotierte Exzellenzforschungszentrum ISTA in Gugging – auch noch mit innerer Erosion zu kämpfen.

Die ÖAW nahm in einer „Stellungnahme“ (08/05/2012) den Austritt Schroeders mit „Bedauern“ und zwei Sätzen zur Kenntnis, in denen betont wird, dass „höchste wissenschaftliche Qualität das alleinige Kriterium für die Wahl zum Mitglied“ ist.

Zur Person

Renée Schroeder, geboren 1953 in Brasilien, ist die derzeit bekannteste Molekularbiologin in Österreich. Ihr Forschungsinteresse gilt vor allem der RNA, das ist das vielseitige Molekül, das zwischen DNA und Proteinen steht (und wohl vor diesen das Leben gebildet hat). Sie äußert sich gern und eloquent zu forschungspolitischen Fragen oder bekennt sich als optimistische Feministin und überzeugte Atheistin – etwa in ihrem Buch „Die Henne und das Ei“, in dem sie auch über die „Suche nach dem Ursprung des Lebens“ schreibt. [Bruckberger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2012)

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