Kapitalflucht: Angst vor griechischem „Bank Run“

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Symbolbild(c) REUTERS (JOHN KOLESIDIS)
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Immer mehr Griechen plündern ihre Bankkonten. Sie fürchten sich vor einer Wiedereinführung der Drachme, was einen rapiden Wertverlust ihrer Einlagen zur Folge hätte. Auch von der EZB bekommen Banken kein Geld mehr.

Wien/Ag./Weber. Angesichts der politischen Krise ihres Landes verlieren immer mehr Griechen das Vertrauen in ihr Finanzsystem. Am Montag sollen sie zwischen 700 und 800 Millionen Euro von ihren Konten abgezogen haben. Nach Angaben von zwei griechischen Banken erreichten die Abflüsse am Tag darauf dasselbe Niveau. Offenbar fürchten die Griechen eine Wiedereinführung der Drachme, was einen rapiden Wertverlust ihrer Einlagen zur Folge hätte.

Zwar kämpfen die griechischen Geldhäuser schon seit der Verschärfung der Krise im Jahr 2009 mit einem steten Abfluss von Kapital ins Ausland. Seit Anfang 2010 haben sich die Einlagen der privaten Haushalte bei den Banken von 195 auf 140 Mrd. Euro im März 2012 reduziert. Derart hohe Summen innerhalb weniger Tage sind aber ungewöhnlich. Auch wenn von einem klassischen „Bank Run“ mit langen Schlangen vor den Kassenschaltern noch nichts zu spüren ist, warnt die griechische Zentralbank vor einer Panik.

Seitdem alle Versuche zur Regierungsbildung gescheitert sind, ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass Griechenland die Eurozone verlassen wird. Bei den Neuwahlen am 17. Juni könnten radikale Kräfte die Oberhand gewinnen, die dem Sparkurs ein Ende setzen und das Land in den Bankrott führen könnten. Diese Gefahr belastete auch den Euro: Die Gemeinschaftswährung fiel sowohl am Mittwoch als auch am Donnerstag zeitweise unter die Marke von 1,27 Dollar.

Geld wird zu Hause gebunkert

Vermögende Griechen haben ihr Geld schon länger in Sicherheit gebracht, etwa in die Schweiz. Seitdem die beiden Länder aber ein Steuerabkommen ähnlich jenem zwischen Österreich und der Schweiz verhandeln, haben sie begonnen, sicherere Domizile für ihr Vermögen zu suchen. Griechische Sparer bunkern ihr Vermögen zu Hause. Ein Teil dürfte aber auch in die Nachbarländer fließen: Bei der bulgarischen Bank-Austria-Tochter Bulbank gebe es vermehrt Kundenanfragen aus Griechenland, sagte ein Sprecher des Instituts.

Schlechte Nachrichten für Griechenlands Banken kamen am Mittwoch auch aus Frankfurt. Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigte an, einige der angeschlagenen Institute nicht mehr zu refinanzieren. Dadurch will die Notenbank ihr Risiko begrenzen. Den betroffenen Banken stehen noch die Liquiditätshilfen der griechischen Notenbank zur Verfügung. Nach den aktuellsten Daten stellte die EZB per Ende Jänner rund 73 Mrd. Euro als Nothilfe zur Verfügung, die griechische Zentralbank rund 54 Mrd. Euro. Dieser zweite Posten dürfte in Zukunft steigen.

„Sobald die Rekapitalisierung abgeschlossen ist, was unserer Einschätzung nach bald sein wird, werden die Banken wieder Zugang zu den Refinanzierungsoperationen des Eurosystems erhalten“, teilte die Zentralbank mit.

Abflüsse auch in Spanien

Bei einer Rede in Frankfurt erklärte EZB-Chef Mario Draghi, man werde Griechenland nicht um jeden Preis in der Eurozone halten: „Die EZB wird bei ihren Prinzipien keine Kompromisse eingehen, um Griechenland in der Eurozone zu halten“, erklärte Draghi. Obwohl er klarmachte, dass er einen Verbleib Griechenlands im Euro präferiere, ist es seine bisher klarste Aussage zu einem möglichen Euroaustritt des Landes.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat dieses Szenario nach Angaben seiner Chefin, Christine Lagarde, bereits durchgerechnet. In einem Interview mit dem niederländischen Fernsehen warnte sie, dass dieser Schritt „extrem teuer und das nicht nur in Griechenland“ wäre. Ein Austritt des Landes aus dem Euro sei nicht ihre Hoffnung, aber man müsse sich auf das Schlimmste vorbereiten.

Auch in Spanien machen sich die Sparer mittlerweile Sorgen um ihre Banken: Die seit Kurzem verstaatlichte Bankia verzeichnete in der vergangenen Woche Abflüsse von einer Milliarde Euro. Dies entspreche in etwa einem Prozent der Einlagen, heißt es in einem Bericht der Zeitung „El Mundo“. Demnach sei der schnelle Abfluss von Geldern, der schon seit Längerem anhält, ein Grund für die Verstaatlichung des Instituts gewesen.

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