"Koan Titel": Bayern verliert Champions-League-Finale

Der entscheidende Moment: Chelsea hat den Pott
Der entscheidende Moment: Chelsea hat den Pott(c) EPA (Thomas Eisenhuth)
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Die Münchner sahen gegen Chelsea dreimal wie die sicheren Sieger aus. Doch die Briten siegten im Elferschießen, Schweinsteiger war tragischer Held.

Ausgerechnet Bastian Schweinsteiger vergab im Elferschießen um die Champions-League-Trophäe den fünften und entscheidenden Versuch, der den FC Bayern den Sieg im Heimfinale kostete. Dabei hatten die Münchner schon dreimal wie die sicheren Sieger ausgesehen.

Wochenlang, monatelang gab es rund um München nur noch ein Thema. Doch als endlich die Zeit des Anstoßes kam, hatte nur ein Bayern-Star wirklich ein „Finale dahoam": Torwart-Legende Sepp Maier, der mit den Münchnern immerhin dreimal den Europapokal der Landesmeister gewonnen hatte, hatte keine Karten bekommen. Der 68-Jährige verfolgte das Champions-League-Finale stattdessen daheim vor dem Fernseher mit einer Flasche Wein und hängte seinem Hund einen Bayern-Schal um.

Einen besseren Platz hatte da schon David Alaba bekommen: Der Österreicher, der um ein Haar auf dem Rasen gestanden hätte, saß wie die zwei anderen gelbgesperrten Bayern-Stars Holger Badstuber und Luiz Gustavo auf der Tribüne - immerhin aber gleich hinter der Ersatzbank.

Dem Gegner, dem FC Chelsea, fehlten gleich vier gesperrte Spieler. Und so durfte Ryan Bertrand als erstes Champions-League-Spiel gleich das Endspiel bestreiten. Der 22-jährige Engländer begann links in der offensiven Dreierreihe und sollte es bis zu seiner Auswechslung in der 73. Minute auf eine Handvoll Ballkontakte bringen.

Chelsea zurückhaltend

Denn die „Blues" fanden so gut wie gar nicht statt. Wie gute Gäste legten es die Engländer darauf an, den Gastgebern nicht groß im Weg herumzustehen. Den Ballbesitz und das Mittelfeld überließ man wie schon im Halbfinale gegen Barcelona großzügig dem Gegner. Sobald die Münchner ihre anfängliche Nervosität abgelegt hatten, lief das Spiel nur noch in Richtung von Chelsea-Goalie Petr Cech. Nur dank des Tschechen und einer katastrophalen Chancenverwertung der Bayern stand es nach 45 Minuten noch 0:0 - vor allem Sturmspitze Mario Gomez hatte zweimal die sichere Führung auf dem Fuß.

Ribery jubelt umsonst. Und was auch immer Chelsea-Trainer Roberto di Matteo seinem Team in der Kabine auf den weiteren Weg mitgegeben hatte, es schien nicht zu fruchten. Am Kräfteverhältnis auf dem Rasen änderte sich überhaupt nichts. In der 53. Minute zappelte der Ball dann erstmals im Tor der „Blues" - Franck Ribery war aber zuvor im Abseits gestanden, der Treffer zählte nicht. Das 1:0 schien dennoch nur eine Frage der Zeit zu sein - so groß war der Druck der Münchner nun. Chelsea hatte überraschenderweise kein Rezept dagegen. Dass die Bayern in der umgekrempelten Abwehr ihre Schwächen hatten, war klar. Doch Pressing oder geordnete Angriffe fanden nicht statt. Didier Drogba lauerte in der Spitze auf Bälle, die nicht kamen.

Doch die Minuten verrannen und das 0:0 blieb bestehen. Langsam begannen die Bayern zu verzweifeln. Egal, wie gut die Schüsse von Toni Kroos, Arjen Robben oder Ribery auch waren - irgendein Chelsea-Abwehrspieler verhinderte immer den Einschlag.

Und dann kam sie plötzlich, Chelseas erste gute Chance: Nach einem Tymoschtschuk-Patzer kratzte Alaba-Vertreter Diego Contento gerade noch einen Drogba-Stanglpass weg. Aber wer nun gedacht hätte, Chelsea hätte wie ein guter, aber technisch unterlegener Boxer einfach den Gegner auspowern lassen, um dann zum „Lucky Punch" anzusetzen, der sah sich getäuscht.

Drogba kontert Müller

In der 83. Minute kam es, wie es kommen musste: Kroos hob zum gefühlt zwanzigsten Mal einen Ball in den Strafraum und diesmal hatte Chelsea auf Thomas Müller vergessen. Der Bayer köpfelte aus wenigen Metern per Aufsetzer zum 1:0 ein. Ein Treffer, wie er verdienter schon lange nicht mehr gefallen ist.
Um so schwerer traf die Bayern der Ausgleich: Ausgerechnet bei der ersten Ecke - in der 88. Minute - kam Drogba mit dem Kopf an den Ball und traf ins kurze Eck zum Ausgleich. Ein Ausgleich, wie er überraschender schon lange nicht mehr gefallen ist.

Robben vergibt vom Punkt

Also doch ein „Lucky Punch", also doch Verlängerung: Und die begann gleich mit einem Höhepunkt: Drogba trat Ribery im Strafraum auf die Ferse - Elfmeter. Doch wie schon in der Liga gegen Dortmund verschoss Robben den Strafstoß - Cech hielt den schwachen Elfer fest. Die nächste kalte Dusche für die Bayern. Und es kam noch schlimmer: Ribery hatte sich in der Aktion verletzt, für ihn kam Ivica Olic.

Doch die Bayern gaben nicht auf. Aber es gelang nicht mehr viel: Olic (107.) und Gomez (112.) vergaben die letzten Chancen, während Chelsea nur noch aufs Elferschießen wartete - in dem Neuer gleich den ersten Versuch gegen Mata hielt. Cech hielt gegen Olic und dann wurde Bastian Schweinsteiger zum tragischen Helden - sein Versuch ging an die Stange, Drogba servierte zum Triumph aus. Sepp Maier wird es nicht gefallen haben.

Finale der Champions League:

Bayern München - Chelsea 3:4 im Elferschießen 

1:1 (1:1, 0:0) n.V. München, Allianz Arena, 62.500 (ausverkauft), SR Pedro Proenca (POR).

Tore: 1:0 (83.) Müller bzw. 1:1 (88.) Drogba

Bayern: Neuer - Lahm, Timoschtschuk, Boateng, Contento - Kroos, Schweinsteiger - Robben, Müller (87. Van Buyten), Ribery (96. Olic) - Gomez

Chelsea: Cech - Bosingwa, Cahill, Luiz, Cole - Mikel, Lampard, Kalou (84. Torres), Mata, Bertrand (73. Malouda) - Drogba

Gelbe Karten: Schweinsteiger bzw. Cole, Luiz, Drogba, Torres

Die Besten: Robben, Lahm bzw. Cech

Besonderes Vorkommnis: Cech hielt in der 95. Minute einen Foulelfmeter von Robben.

Das Elferschießen:

Lahm trifft - 1:0

Mata scheitert an Neuer - weiter 1:0

Gomez trifft - 2:0

Luiz trifft - 2:1

Neuer trifft - 3:1

Lampard trifft - 3:2

Olic scheitert an Cech - weiter 3:2

Cole trifft - 3:3

Schweinsteiger scheitert am Pfosten - weiter 3:3

Drogba trifft - 3:4.

Chelsea erstmals Champions-League-Sieger.

("Die Presse", Printausgabe vom 20. Mai 2012)

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