Sechste Schulstunde: Radio machen

Medien-Vermittlung in der Klasse: Schulversuch im Gymnasium Haizingergasse - ein Lokalaugenschein.

WIEN. "Ich weiß jetzt, wie man eine Homepage erstellt", sagt die 17-jährige Schülerin Yvonne Pohl. Sie geht in die 7A des Wirtschaftskundlichen Gymnasiums (GWIKU) Haizingergasse im 18. Bezirk in Wien. Mit ihren Klassenkollegen genießt sie seit der fünften Klasse neben herkömmlichen Fächern wie Chemie, Geschichte und Mathematik auch Unterrichtsgegenstände wie "Präsentation und Kommunikation (PuK)" oder Praxiseinheiten wie  "Radio".

Seit dem Schuljahr 2003/04 wird im Gymnasium Haizingergasse der Schwerpunkt "Neue Medien und Kommunikation" angeboten. Ab der fünften Schulstufe gibt es jährlich zwei bis drei Fächer, die den leichteren Umgang mit Medien aller Art vermitteln sollen.

Chefredakteur mit 16

Im Unterrichtsfach "Printmedien" produzierte die Klasse im Vorjahr fünf Ausgaben ihrer eigenen Zeitung "Sag ich doch". "Bei den Redaktionssitzungen für unsere Schülerzeitung war immer eine sehr gemütliche Atmosphäre, und es gab sogar ein Buffet", sagt Yvonnes Freundin, Magdalena Ettl.  "Jeder von uns musste einen kleinen und einen größeren Artikel pro Ausgabe schreiben", erzählt Yvonne. Und jeder musste einmal im Team der Chefredakteure und einmal als Layouter die Zeitung mitgestalten. Die Themenwahl stand den jungen Redakteuren frei. Schulthemen sollten es freilich sein. Vom Interview mit dem Religionslehrer über seine Jugend bis zur Reportage einer Klassenreise war alles erlaubt.

Internet statt Mathematik

"Unser Ziel war es, die Inhalte des wirtschaftskundlichen Zweiges so zu verbessern, dass es zu einer qualitativen Anhebung kommt", erklärt die Direktorin des Gymnasiums, Renate Knaus. Die Vorplanung des Medienschwerpunkts an dem Gymnasium hat mehr als zwei Jahre gedauert. "Es war nicht einfach, alle Lehrer davon zu überzeugen, dass einige der traditionellen Lehrfächer gekürzt werden müssen." Letztendlich habe sich die Lehrerschaft aber einigen können. Fächer wie Ernährungswissenschaften wurden beispielsweise gänzlich aus dem Lehrplan gestrichen.

Neben den theoretischen Fächern PuK und Medienanalyse widmen sich die Schüler im Praxisunterricht in jeder Schulstufe einem anderen Medium. Den Anfang macht das Internet. Raphael Siegel, 15, aus der 5A findet, "der Unterricht hat sich bis jetzt schon ausgezahlt". "Wir haben das Zehn-Finger-System gelernt und eine Homepage entworfen." Obwohl die Generation der Fünfzehnjährigen mit dem World Wild Web aufgewachsen ist, gibt es offenbar viele Kniffe, die auch die Generation Microsoft noch nicht beherrscht.

Der angebotene Medienschwerpunkt ist ein Schulversuch, der jedes Jahr aufs Neue genehmigt werden muss. Direktorin Knauss wird heuer zum vierten Mal um die Genehmigung des Projekts im Schuljahr 2007/08 ansuchen. Dieser Amtsweg sei aber nur pro forma. Denn zum Erfolg des Schulversuchs meint die Direktorin: "Die Nachfrage ist so groß, dass wir durchaus mehr als zwei Klassen pro Schulstufe füllen könnten. Aber ich habe nicht den nötigen Raum für mehr Klassen."

Mit dem Mikro warm werden

Neben dem Zeitungsprojekt lernen die Schüler das Gestalten von Radio-Beiträgen. "Wir schneiden die Beiträge auch selbst und haben Menschen auf der Straße befragt", sagt Yvonne stolz. Ehrgeiziges Ziel der 7A: Am Ende des Jahres einige Beiträge auf Radio Orange zu bringen. Man merkt den Schülern an, dass ihnen die Arbeit mit den Medien Spaß macht.

Im Fach Medienanalyse wird der Umgang mit Zeitungen und dem Fernsehen gleichermaßen geübt. Zeitung lesen gehört zum Tagesprogramm. Einige der Schüler konnten während der diesjährigen so genannten berufspraktischen Tage ein paar Tage lang "echte" Redaktionsluft schnuppern _ zum Beispiel bei der "Presse" oder der Schülerzeitung "ScIQ".

Yvonne und Magdalena maturieren nächstes Jahr. Ihr ohnehin vorhandenes Interesse an den Medien wurde in den vergangenen Jahren verstärkt. Welchen Beruf sie in der Zukunft erlernen wollen, wissen die beiden 17-Jährigen trotzdem noch nicht.


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