Jeder Dritte spürt Druck auf die freie Meinung

(c) EPA (Eduardo Morales)
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Umfrage. Bei den Themen Ausländer, Politiker und NS-Zeit zeigen viele Menschen Deklarations-Scheu. Etwa die Hälfte der Bürger glaubt an die öffentliche Meinungsfreiheit.

WIEN (red.). Nur knapp die Hälfte (47 Prozent) der Bevölkerung meint, dass man in Österreich ganz ohne Scheu darüber reden kann, was man denkt. Dies geht aus einer aktuellen Umfrage des renommierten Meinungsforschungsinstituts Imas hervor. 14 Prozent erklären, es sei generell besser, sich zurückzuhalten, weil man sonst mit Nachteilen rechnen müsse. 20 Prozent antworten, das hänge vom jeweiligen Thema ab.

Bei diese beiden „redescheuen“ Gruppen (zusammen 34 Prozent) wurde nachgefragt, welche Themen es denn seien, wo freie Meinungsäußerung Probleme bringen könnten. Dabei zeigt es sich, dass nur wenige Themengruppen in größerem Ausmaß für Unbehagen sorgen: die Ausländerproblematik sowie Äußerungen über Politiker und über den Nationalsozialismus. Andere Themen wie etwa Kritik am Arbeitgeber oder die eigene sexuelle Orientierung wurden kaum genannt. Einzig ÖVP-Wähler erklärten zu 15 Prozent, dass man besser nicht über finanzielle Probleme reden sollte.

FP/BZÖ-Anhänger sehen Tabus

Insgesamt zeigen FPÖ- und BZÖ-Anhänger am öftesten Deklarationsängste. Sie sehen zu 36 Prozent Nachteile in Österreich, wenn man sich zum Nationalsozialismus frei äußert. Bei den Anhängern anderer Parteien tun das nur ein bis vier Prozent. Auch bei unter 30-Jährigen ist die Scheu, über den Nationalsozialismus frei zu reden mit drei Prozent sehr gering.

Die Befragten haben ein freilich unterschiedliches Verständnis davon, was denn konkret besser nicht ausgesprochen werden soll. Wenn etwa 22 Prozent der „redescheuen“ Grünwähler erklären, dass man bei Ausländerthemen seine Meinung nicht offen sagen könne, dürften sie dabei zumeist an ganz andere Positionen denken, als die 31 Prozent FPÖ/BZÖ-Wähler, die dieselbe Themengruppe angegeben haben.

Auf keinen Fall akzeptabel

Dies bestätigt sich auch im weiteren Verlauf der Umfrage: Auf die Frage, mit welchen konkreten Äußerungen man auf Kritik stoßen könnte (an alle Befragten gerichtet), liegt die Antwort „wenn man für eine stärkere Zuwanderung eintritt“ etwa gleichauf (29 Prozent) mit „wenn man Roma als Zigeuner und Schwarzafrikaner als Neger bezeichnet“ (31 Prozent).

Ähnliches zeigt sich, wenn man fragt, welche Ansichten denn der Befragte selbst für „auf keinen Fall akzeptabel“ hält. Auch da liegen die beiden oben genannten Äußerungen so gut wie gleichauf (11 bzw. 13 Prozent). Dabei zeigt sich eine relativ liberale Haltung der Befragten: Auf der vorgegebenen Liste gab es keine Meinung, die von mehr als 17 Prozent als keinesfalls tolerierbar und jenseits des Rechts auf Meinungsäußerung eingestuft werden. Imas fragte außerdem, ob es für die Befragten persönlich wichtig sei, dass die Berichterstattung der jeweils am häufigsten gelesenen Zeitung mit der eigenen Überzeugung möglichst gut übereinstimmt. Sehr oder ziemlich wichtig ist dies für 59 Prozent. Leitartikel Seite 31

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2007)

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