Sprachspaltereien

Advent, türkisch.

Heuer, erstmals in meinem Leben, habe ich einen ganz traditionellen Adventkranz erworben: mit drei violetten und einer rosa Kerze. „Ah, Sie möchten einen ...türkischen?“, kommentiert die Blumenstandlerin am Brunnenmarkt. Zumindest ist es das, was ich – staunend – höre. Sie sprach natürlich von einem liturgischen (Adventkranz)! Aber bei mir führte die Kombination aus „ohrenbetäubender“ Pudelmütze und entsprechender Erwartungshaltung zu dem Verhörer: Brunnenmarkt bedeutet quasi automatisch türkisch. Nicht zuletzt ist das Wort liturgisch im Alltagssprachgebrauch ja nicht gerade geläufig.

Ich nehme mich also nicht nur bei den Ohren, sondern auch an der Nase. Die türkische Komponente des Brunnenmarkts ist zwar höchst liebenswert, aber eben doch nicht allgegenwärtig, wie von ausländerfeindlicher Seite gern behauptet wird. Umgekehrt berichteten dem „Falter“ vor Kurzem türkisch- und serbischstämmige Mitarbeiterinnen der Großbäcker Ströck, Mann und Anker, dass sie ihre Kunden nicht auf Türkisch oder Serbisch bedienen dürfen. Englisch oder Französisch indes seien als Fremdsprachenkompetenz gern gesehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2011)

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