Sprachspaltereien: Abstiegschance mit Bestblick

Nachschlag zum Thema „selbstständig“: Wie ein Leser berichtet, werden in seiner „Spar“-Filiale die Kunden aufgefordert, ihre Taschen „selbstständig“ vorzuweisen, um dem Personal Einblick zu gewähren.

Nachschlag zum Thema „selbstständig“: Wie ein Leser berichtet, werden in seiner „Spar“-Filiale die Kunden aufgefordert, ihre Taschen „selbstständig“ vorzuweisen, um dem Personal Einblick zu gewähren. Dass damit wirklich gemeint ist, man möge dieses ohne fremde Hilfe tun, wagt der Leser zu bezweifeln – und wir wagen esmit ihm. Tatsächlich soll man die Tasche wohl unaufgefordert vorweisen.

Eine Version früher war der sprachliche Unsinn noch schlimmer: „Um Missverständnisse vorzubeugen“, hieß es da. Inzwischen ist der Fehler repariert, sind die Missverständnisse korrekterweise in den Dativ gebeugt. Apropos Missverständnis: Einem solchen saß ein Bekannter in seiner Kindheit auf: Vorbeugend gründlich Zähne putzen, hieß es auf einem Plakat, das vor Karies warnte. Der Bub nahm's wörtlich und beugte sich beim Zähneputzen besonders weit vor.

Bis einer auf die Nase fällt. Der XY habe in seiner Firma nur noch Abstiegschancen – dies war unlängst in der Straßenbahn aufzuschnappen. Ungewöhnlich die Kombination von (positiven) Chancen mit einem Abstieg, den man üblicherweise negativ bewertet. Außer man hat sich im Gebirge verirrt und sieht vor lauter Nebel keine Abstiegschancen.

Ungetrübt soll indes die Sicht von Luxusdachwohnungen aus sein. Mehr noch: Da wird nicht mit einem traumhaften oder grandiosen Blick geworben, sondern kühn behauptet: „Wohnungen mit Bestblick“. Superlativ und damit basta. Aber wer wird schon Vergleiche anstellen – mit ohnehin subjektiven Ergebnissen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)

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