Jugendstil: Einblicke in eine Schatzkiste

Peter Schubert „Jugendstil von Galizien bis zur Adria Österreich-Ungarns letzter Glanz“ Kral-Verlag, Berndorf, 289 Seiten, 29,90 Euro
Peter Schubert „Jugendstil von Galizien bis zur Adria Österreich-Ungarns letzter Glanz“ Kral-Verlag, Berndorf, 289 Seiten, 29,90 Euro(c) Kral-Verlag
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Die Monarchie hinterließ unzählige architektonische Juwelen.

Zweitausend Gebäude gibt es in Wien, die zumindest Dekorelemente des Jugendstils oder der Secession aufweisen. Der begeisterte Fotograf Peter Schubert kennt sie alle. Sein digitales Archiv verfügt über 40.000 Aufnahmen aus allen Ländern der einstigen Donaumonarchie. Ein derartiger Schatz an Dokumenten verlangt natürlich nach einem neuen Bildband, der nun vorliegt und den Jugendstil in allen ehemaligen Kronländern des Habsburgerreichs darlegt. Es beginnt natürlich bei Otto Wagner und seinen Schülern (was passiert übrigens mit der Postsparkasse am Ring, Herr Benko?), geht dann über zur Synagoge von Sankt Pölten und listet zunächst alle Adressen in Niederösterreich auf.

Herrliche Beispiele späten Jugendstils entdeckte Schubert in Böhmen, im alten Mähren, im ehemaligen Jugoslawien, etwa im untersteirischen Marburg. Es ist eine Rundreise durch Kakanien, wunderschön. Auch deshalb, weil vieles von dem, was Österreich hinterlassen musste, hervorragend renoviert wurde. Wagner-Schüler Friedrich Ohmann – architektonischer Leiter der Wienflussverbauung, bildete selbst wieder eine erkleckliche Schar von Architekturstars aus: Siegfried Theiss, Johann Jaksch, Dagobert Peche, Ivan Meštrović, Ohmann war ein Omnipräsenter: Prag, Karlsbad, Grado, Reichenberg, Deutsch-Altenburg, Split, das Wenzels-Denkmal in Prag, der Altar in Aggsbach . . .

Wiedergeboren im Brauhaus

In Salzburg erkannte man den unschätzbaren Wert der Jugendstilarchitektur. So wurde im Jahr 2009 der Marmorsaal des Hauptbahnhofs angebrochen, Stein für Stein nummeriert und 2017 im Müllner Augustiner-Bräu wieder aufgebaut.

Die Anstaltskirche des Landeskrankenhauses Graz ist in dem Bildband ebenso dokumentiert wie das Stadttheater Klagenfurt. Fellner & Helmer waren zwischen 1873 und 1918 die absoluten Toparchitekten der Monarchie. 48 Theaterbauten entstanden in ihrer Firma. Auch Friedrich Ohmann war ein Star seiner Zeit. Die Neue Hofburg entstammt seinem Reißbrett, das Palmenhaus im Burggarten, das Elisabeth-Denkmal. Und das Kurhaus in Meran. 1914 erholten sich hier angeblich 40.000 Gäste. Eine Figurengruppe tanzender Mädchen erregte wegen zu erotisierender Bewegungen Anstoß, aber der Ausbruch des Weltkriegs stoppte derart nebensächliche Diskussionen.

In Ex-Jugoslawien

Während das Gymnasium in Mostar schon wiederhergestellt ist, kündet die Hotelruine noch vom grausamen Jugoslawien-Krieg unserer Neunzigerjahre. Das viel früher, nämlich 1914, zu trauriger Berühmtheit gelangte Rathaus von Sarajewo – heute Nationalbibliothek – finden wir ebenso dokumentiert wie die Villa Gianna in Lovran. Ein kurzer Blick, und man vermeint, in der Hüttelbergstraße zu stehen. Es ist eine beglückende Rundreise durch ein nicht mehr bestehendes mitteleuropäisches Großreich, das seinen Bürgern bedeutende Schätze hinterließ. Man muss sie schützen, muss sie hegen, pflegen – und wertschätzen.

Der Autor gewährt einen Einblick in sein Schaffen und präsentiert einen faszinierenden Querschnitt an Bildern aus seiner Sammlung zum Thema Jugendstil.

Bis 29. Juni 2019 in Maria Enzersdorf, Gabrielerstr. 171. Tel: 02236/47834,

E-Mail: gabrielerstrasse@kral-moedling.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2019)

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