Austria'20

Mouhanad Khorchide: Das konservative Bild des Islam völlig neu zeichnen

Mouhanad Khorchide
Mouhanad Khorchide(c) Uwe Zucchi / dpa / picturedesk.com (Uwe Zucchi)
  • Drucken

Nominiert in der Kategorie „Erfolg International": Mouhanad Khorchide bildet in Deutschland islamische Religionslehrer aus – und steht für eine humanistische Auslegung des Islam.

Er eckt an bei denen, die sich mit der Auslegung und Interpretation des Islam beschäftigen. Denn Mouhanad Khorchide vertritt eine Theologie, die wenig mit Klerikern, Traditionen und Gehorsam zu tun hat. Gegner rücken seine Auslegung des Islam sogar ins esoterische Eck. Doch, und das schätzen viele, es ist ein sympathisches Bild einer Religion, die sonst öfter mit negativen Assoziationen aufgeladen wird. Denn für ihn steht der Islam für Barmherzigkeit. Für eine persönliche Auseinandersetzung mit Gott. Und dieser Gott ist Khorchide zufolge ein liebender, kein strafender.

In seinem aktuellen Buch „Gottes falsche Anwälte“ spricht der 49-Jährige gar von einem Verrat am Islam – dass nämlich der ursprüngliche Gedanke des Propheten Mohammed durch politische Machtkämpfe pervertiert wurde. Dass die Kalifen nach seinem Tod ein autoritäres Gottesbild schufen, um ihren politischen Machtanspruch zu legitimieren. Und dass dadurch die Liebe und Barmherzigkeit Gottes auf der Strecke blieben. Eines seiner Mantras ist denn auch, dass man den Koran nicht wörtlich lesen und seine Gebote nicht eins zu eins ins heutige Leben übertragen darf.

Sozialisiert wurde das Kind palästinensischer Flüchtlinge, das im Libanon geboren wurde, im streng religiösen Saudiarabien. Weil Khorchide dort als Staatenloser nicht studieren durfte, lernte er Deutsch und landete als 18-Jähriger in Wien. Hier studierte er Soziologie – und erregte 2009 mit seiner Dissertation großes Aufsehen: Denn rund die Hälfte von rund 400 islamischen Religionslehrern, die er dafür befragte, zeigten ein problematisches Bewusstsein für demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien.

Innerhalb von Österreichs muslimischen Community galt er danach als Nestbeschmutzer, sein Vertrag als Religionslehrer wurde von der Islamischen Glaubensgemeinschaft nicht verlängert. Und so fiel es ihm auch leichter, Österreich zu verlassen – und in Deutschland Karriere zu machen. Seit 2010 bildet er am Zentrum für islamische Studien (ZIT) in Münster Religionslehrer für Nordrhein-Westfalen aus.

Von dort aus machte er sich einen Namen. Als Experte, der seine kritisch-historische Auslegung des Islam telegen in TV-Diskussionen vertritt. Der als Vertreter eines humanistischen Islam einen Gegenpol zu vielen Vertretern islamischer Organisationen bildet. Und der von der Politik als Gesprächspartner geschätzt wird.

Den Kontakt zu Österreich hat er aber nie abgebrochen – er selbst bezeichnet das Land als „meine Heimat“, die den ehemals Staatenlosen sogar zum Staatsbürger machte. Immer wieder meldet er sich in Österreich zu Wort – und wird auch gern gehört. Weniger von der Islamischen Glaubensgemeinschaft, die von seinen Zurufen nicht begeistert ist. Dafür umso mehr von der Politik, namentlich zuletzt vor allem von der ÖVP, die ihn immer wieder zum Integrationsthema auftreten lässt. Institutionell feiert er nun sogar ein Comeback in der Heimat – vor wenigen Tagen wurde er als Leiter des wissenschaftlichen Beirats in der neu geschaffenen Dokumentationsstelle Politischer Islam präsentiert. (eko)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.