Austria'20

Katja Schechtner: Die Choreografin für Verkehrsströme

Katja Schechtner
Katja Schechtner(c) AIT/krischanz.zeiller.
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Katja Schechtner dirigiert Menschenströme in Städten weltweit. Der Ablauf müsse so reibungslos funktionieren wie bei einem Ballett, sagt sie.

Was haben Manila auf den Philippinen, Lumbini in Nepal, Vientiane in Laos und Wien gemeinsam? In all diesen Städten stehen und bewegen sich die Menschen an vielen Orten genau so, wie sich Katja Schechtner das überlegt hat. Für ihre Bewegungskonzepte – etwa für die Besucherströme des Wiener Stadions und deren reibungslosen Abtransport durch die U-Bahn – kombiniert sie Technologie, Architektur und Psychologie.

Vielleicht legte den ersten Baustein für ihre internationale Karriere als interdisziplinäre Mobilitäts- und Urbanitätsforscherin schon ihre Mutter, als diese die 13-jährige Klosterschülerin für einen Tapetenwechsel im Alltag in einen Computerclub schickte. Später spielte bestimmt auch der glückliche Zufall mit hinein, der sie als junge Architektin während des Studiums an der TU Wien für ein Praktikum nach Japan verschlug. Hier wurde die „goldene Ausländerin“ – den Spitznamen bescherten ihr die blonden Haare – mit dem Vergleich von städtebaulichen Projekten weltweit betraut.

„Ich musste herausfinden, was gut und was weniger gut lief“, erinnert sich die heute 48-Jährige. „Damals habe ich gelernt, wie Städte in unterschiedlichen Gegenden im Globalen Süden bzw. Norden funktionieren.“ Voraussetzung dazu sei die „Übersetzungsleistung“ zwischen den Kulturen mit ihren mitunter ganz konträren Selbstverständlichkeiten, Eigenheiten und Voraussetzungen. Nach Auslandsaufenthalten in den Niederlanden, in Irland, Frankreich, Südafrika und den USA wurde Schechtner schließlich vom größten Städtebau- und Ingenieursunternehmen Japans angeheuert. Später folgte ein Jobangebot des Austrian Institute of Technology (AIT), wo sie eine Forschungsgruppe zur Lenkung von Menschenströmen etwa zur Optimierung von Abläufen auf Flughäfen aufbaute. Optimiert bedeutet für sie immer zweierlei: effizienter und angenehmer. „In Japan habe ich dieses Ballett, wie Menschen, Infrastruktur und Maschinen zusammenspielen können, erlebt. Das hat meine spätere Arbeit inspiriert“, sagt die Forscherin.

Sesshaft ist sie bis heute nicht geworden. Nach wie vor hat sie parallel mehrere, oft wechselnde Wohnsitze – derzeit in Wien, Boston und Paris. Das ist für sie Voraussetzung dafür, am Ball zu bleiben und zu verstehen, wie moderne Mobilitätstechnologien ganz unterschiedlich eingesetzt werden können. „Die Physik ist überall auf der Welt dieselbe, aber die Bedürfnisse der Menschen und die Akzeptanz bestimmter Technologien sind immer abhängig vom Kontext“, so die gebürtige Niederösterreicherin. Seit zwölf Jahren forscht Schechtner mittlerweile am Media Lab und Senseable City Lab des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA. Darüber hinaus leitet sie als Beraterin für Innovation und Technologie mehrere Arbeitsgruppen im International Transport Forum der OECD und lehrt an der TU Wien. Basierend auf den Erkenntnissen über Menschenströme entwickelt sie heute auch Regeln zum Drohneneinsatz, zu Algorithmic Governance sowie zur Blockchain-Technologie für Lieferketten.

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