Quergeschrieben: Besser Saddam als Chaos?

Nicht der Krieg gegen das irakische Regime war falsch, sondern die Art und Weise, wie er geführt worden ist.

So, wie es derzeit aussieht, stehen die Chancen der USA und ihrer Alliierten, den irregulären Krieg im Irak nach traditionellen militärischen Kriterien noch zu gewinnen, ungefähr so gut wie jene Alfred Gusenbauers, demnächst Bundeskanzler zu werden: theoretisch möglich, aber doch eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlich ist dagegen, dass die Amerikaner mit Glück und Geschick eine "Irakisierung" des Konfliktes mit anschließendem, leidlich gesichtswahrendem Abzug schaffen; mit Unglück und Ungeschick nicht einmal das.

Für die große Mehrheit der Europäer, die ja immer gegen diesen Krieg war, ein Augenblick verdienter Selbstzufriedenheit Marke "Wir haben es ja schon immer gesagt". Für jene kleine Minderheit, die - wie auch der Autor dieser Kolumne - eher für diese Intervention war, stellt sich dagegen zwingend die Frage: War diese Einschätzung ein Fehler?

Sie war es jedenfalls insofern, als sie die Fähigkeit der Amerikaner, nicht nur den Krieg zu gewinnen, sondern auch den anschließenden (potenziellen) Frieden, weit überschätzte, obwohl beides sowohl in Deutschland als auch in Japan nach 1945 geradezu spektakulär gelungen war und ja auch den Briten im freilich weniger problematischen Südirak gelingt.

Sie war wohl auch insofern fehlerhaft, als Voraussetzung für eine derartige günstigere Entwicklung eine wesentlich größere Streitmacht gewesen wäre, als tatsächlich im Irak eingesetzt worden ist (Experten sprechen von 500.000 statt 150.000 Soldaten).

Und sie war schließlich vor allem auch deshalb falsch, weil die irakische Entwicklung - wie wir heute wissen - die Glaubwürdigkeit und die Fähigkeit der USA, ihre notwendige Rolle als Weltpolizist auszuüben, existenziell schwächt (siehe etwa Iran).

Das heißt freilich nicht, dass der Krieg zur Beseitigung des Saddam-Regimes deswegen delegitimiert ist. Wären die Alliierten im 2. Weltkrieg an den Stränden der Normandie zurückgeschlagen worden und hätte Europa in der Folge Hitler überlassen werden müssen, wäre der Krieg ja trotzdem auch nicht bloß deshalb delegitimiert gewesen, weil er nicht gewonnen wurde. Ob ein Krieg zu Recht oder nicht zu Recht geführt worden ist, kann ja nicht gut davon abhängen, ob er gewonnen worden ist oder nicht.

Das Problem des Irak-Kriegs ist deswegen nicht, dass er geführt wurde, sondern dass er offenbar von einer nicht ausreichend kompetenten politischen Führung zu einem vermutlich falschen Zeitpunkt geführt worden ist. Dies allerdings ist letztlich eher eine pragmatisch-handwerkliche Frage als eine der grundsätzlichen Berechtigung der Kampagne gegen Saddam (unter dem - was heute ja schon wieder weitgehend ausgeblendet wird - wesentlich mehr Menschen starben als selbst jetzt in dem an der Kippe zum Bürgerkrieg taumelnden Land).

Auch in Afghanistan, so steht zu befürchten, ist die Sache noch lange nicht gewonnen und droht gar ein "blutiger Sommer" (so der US-Botschafter in Kabul). Wird aber dadurch der Krieg dort delegitimiert? Geben wir deswegen vernünftigerweise das Land mit einer kleinen Entschuldigung den Taliban zurück?

Christian Ortner ist Journalist in Wien.

christian-ortner@chello.at

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