Quergeschrieben: Tumpel darf nicht weichen!

Der letzte Repräsentant des klassischen Funktionärssozialismus sollte uns erhalten bleiben wie das Russendenkmal oder die Flaktürme in Wien.

Es muss endlich einmal ausgesprochen werden: Herbert Tumpel, dem Präsidenten der österreichischen Arbeiterkammer, wiederfährt derzeit grobes, ja geradezu schreiendes politisches Unrecht.

Dass die Regierung den verdienten sozialdemokratischen Funktionär beseitigen will, um anschließend endlich den Ständestaat errichten zu können, ist ja bekannt; aber jetzt fordert sogar der Grüne Peter Pilz (offenbar ein Mitverschwörer Schüssels) den Rücktritt Tumpels. Und zwar mit der inhaltlich zutreffenden, aber doch ausgesprochen kleinkrämerischen Begründung, Tumpel habe in seiner Zeit als Aufsichtsratspräsident der Bawag (bis 1997) "die Karibik-Abenteuer ermöglicht" ("Der Standard", 9. Mai).

Na gut, das hat zwar in der Folge laut jüngsten, undementierten Medienberichten einen Spekulationsverlust von schon damals rund 7 Milliarden Schilling ("Karibik 1") zur Folge gehabt - aber gemessen an der Kosten anderer sozialdemokratischer Flops von der Verstaatlichten bis zum Konsum ist dieses Hoppala der Ära Tumpel in der Bawag nun auch wieder nicht so viel Geld, dass da einer gleich zurücktreten muss (sagen ja sogar manche Zeitungskommentatoren).

Dass Tumpel bleibt, ist im Grunde verständlich: Im Gegensatz zum ÖGB, aus dem man austreten kann, wird die AK-Mitgliedschaft gesetzlich erzwungen, der AK können also die Mitglieder nicht davonlaufen - warum soll der Präsident da der lächerlichen paar hundert Millionen Euro wegen Konsequenzen ziehen, anstatt weiter seine bescheidenen 10.256 Euro Monatsgage (keine 150.000 Schilling) einstreifen, eh weniger als der Ch¢teau-Elsner, der Penthouse-Verzetnitsch und all die anderen Genossen hatten.

Dass Tumpel, privat ja gewissen Aspekten des Soldatischen zugetan, nicht wankt und nicht weicht, ist auch aus Gründen der Kontinuität der Zweiten Republik, ja geradezu aus folkloristischen Überlegungen wünschenswert: Wenn Tumpel nicht mehr ist, wer wird dann noch am 1. Mai mit betonharter Mimik wie einst Breschnew auf der Tribüne das Fleisch gewordene sozialistische Wink-Element darstellen?

Wer wird dann, sollte wieder einmal die gewerkschaftliche Kacke am Dampfen sein, jede höfliche Bitte um ein ZiB-2-Interview offensichtlich als hinterhältigen Angriff auf die Arbeiterklasse interpretieren (und deshalb wochenlang wortlos abtauchen)?

Wer würde, gäbe es keinen Tumpel, noch über die Souveränität des gelernten Funktionärs verfügen, dem Steuerzahler nicht einmal zähneknirschend "Danke" zu sagen, wenn der mit seiner Haftung jenen "Saustall" (Häupl) aufräumt, der unter dem Aufsichtsratspräsidenten Tumpel zu stinken begann?

Damit Tumpel bleiben kann, muss die Sozialdemokratie einen bloß bescheidenen Preis entrichten: dass jedesmal Heiterkeit im Saale ausbricht, wenn Gusenbauer, Cap, Tumpel, Hundstorfer oder sonstwer öffentlich gegen den Kapitalismus, die Spekulation oder ähnliche Lieblingsgegner herzieht.

Nein, Tumpel muss als Zeuge einer bestimmten Geisteshaltung unbedingt erhalten bleiben: Das Russendenkmal oder die Flaktürme reißen wir ja auch nicht einfach ab.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.

christian-ortner@chello.at

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