Quergeschrieben: Gute Nacht, Sozialdemokratie

Neue Fairness à la SPÖ: Grasser muss gehen, weil er jenen Wolfgang Flöttl traf, der dem SP-Ehrenvorsitzenden eine Million zahlte. Alles klar?

J
e sichtbarer die höchst bemerkenswerten Fakten des Kriminalfalles ÖGBAWAG nun von Tag zu Tag werden, umso unglaub       würdiger wird die zentrale Aussage des sozialdemokratischen Wahlkampfes: "Neue Fairness braucht das Land." Denn spätestens seit Wolfgang Flöttl begonnen hat, über seine Zahlungen an österreichische Empfänger zu reden, hat die Glaubwürdigkeit der SPÖ in Sachen "Fairness" ungefähr jene eines Quartaltrinkers erreicht, der seinen Kumpel beim Branntweiner die Vorzüge des abstinenten Lebens predigt.

Wenn wir uns darauf verständigen, dass "Fairness" etwas mit anständigem Benehmen - im Gegensatz etwa zum bloßen Einhalten der Buchstaben des Gesetzes - zu tun hat, und darüber hinaus mit einer gewissen sportlichen Haltung, der zufolge die Spielregeln für alle gleich sein sollen, dann ist die SPÖ, gemessen an ihrer zentralen Wahlkampf-Forderung, in der Causa ÖGBAWAG am eigenen Anspruch komplett gescheitert. Gewiss: Dass Franz Vranitzky, der kurioserweise ausgerechnet dem "Fairness-Komitee für Alfred Gusenbauer" vorsteht, von Wolfgang Flöttl unter eher ungeklärten Umständen eine Million Schilling "Beraterhonorar" kassiert hat, ist (nach heutigem Kenntnisstand) mit dem Buchstaben des Gesetzes vereinbar.

Mit einem noch so gedehnten und verbogenen Begriff von "Fairness" absolut unvereinbar ist freilich, dass die Partei Vranitzkys gleichzeitig Finanzminister Grasser zum Rücktritt auffordert, weil der bei einer Bootspartie (auf der Meinlschen Yacht) mit jenem Wolfgang Flöttl zusammengetroffen war.

Während also der Finanzminister mit Flöttl worüber auch immer geplaudert hat (und sich damit sicher keinen Schönheitspreis verdient hat), hat der SPÖ-Ehrenvorsitzende vom gleichen Flöttl eine Million Schilling kassiert; ersteres ist natürlich ein Rücktrittsgrund, letzteres o. k.: Wenn so die "Neue Fairness" des SPÖ aussieht, dann gute Nacht, Sozialdemokratie.

Würde die Partei die hohle Phrase auch nur ein ganz kleines Bisschen ernst nehmen, entzöge sie Vranitzky unverzüglich den Ehrenvorsitz der SPÖ: Denn eine Million Schilling von jemandem zu nehmen, mit dem auch nur am gleichen Schiff anwesend zu sein angeblich so anrüchig ist, dass dies (im Falle Grasser) ein Rücktrittsgrund ist, muss ja nach den Gesetzen der Logik für den SPÖ-Ehrenvorsitzenden um so mehr Grund sein zurückzutreten, zumal ja auch der im Zuge der angeblichen Beratungstätigkeit das eine oder andere mal mit Flöttl zusammengetroffen sein wird. (Selbst dann, wenn wir konzedieren, dass Vranitzky ja wirklich nicht zumutbar war, mit einer kärglichen Rente von damals monatlich bloß 240.000 Schilling, 16 Mal pro Jahr das Auslangen zu finden und er sich deshalb ja zwangsläufig um ein Zubrot als Euroerklärer bei Flöttl umsehen musste).

Übrigens, und der Fairness halber: Das ändert gar nichts daran, dass sich Vranitzky in anderen Zusammenhängen um Österreich durchaus verdient gemacht hat. Bloß als Beleg für die vermeintliche moralische Lufthoheit der Sozialdemokratie über die neoliberalen Raffzähne in der Regierung hat sich der Mann selbst in die Luft gesprengt.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.

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