Quergeschrieben: Immer Ärger mit den Notenbankern

Wenn Nationalbank-Chef Klaus Liebscher Kanzler Schüssel zurechtweist, hat er damit leider nicht ganz Unrecht.

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ffizielle Mitteilungen der Oesterrei chischen Nationalbank sind im Nor malfall ungefähr so unterhaltsam wie die Zahlungsverkehr-Statistik des Vorjahrs und politisch so brisant wie das Aussehen der Rückseite der 2-Cent-Münze; das haben Notenbanker halt so an sich.

Umso bemerkenswerter war, was Nationalbank-Chef Liebscher (ÖVP) jüngst höchstpersönlich und offiziell aussenden ließ: nämlich die bloß notdürftigst verhüllte Behauptung, Bundeskanzler Schüssel (übrigens auch ÖVP) sei im Begriff, das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Österreich zu schwächen. Was Liebscher gegen den Strich geht, ist des Kanzlers wiederkehrendes Liebäugeln mit einer "Tobin-Steuer" auf Geldwechsel-Geschäfte (Schüssel: "Es kann nicht angehen, dass kurzfristige Finanztransaktionen überhaupt nicht besteuert werden").

Darüber, was er von diesem Engagement Schüssels hält, lässt uns Liebscher absolut nicht im Unklaren: "Ein Engagement österreichischer . . . Wirtschaftspolitiker für die Einführung von Kapitalverkehrsbeschränkungen wie der Tobin-Steuer würde das internationale Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Österreich und in den Wirtschaftsraum Europa schwächen . . . Die Einführung einer Tobin-Steuer auf europäischer Ebene wäre ein Experiment mit nicht quantifizierbaren Risiken." Klarer kann man dem Kanzler eigentlich nicht sagen, was man denkt, und schon gar nicht als Chef einer Notenbank. Simmering gegen Kapfenberg ist im Vergleich dazu ein gepflegter Diskurs im theologischen Seminar. (Im Umgang mit Notenbankern hat der Kanzler einfach wenig Fortune, scheint's).

In der Sache selbst hat Liebscher gute Argumente auf seiner Seite: Neue Steuern sind nicht wirklich, was Europa braucht, um seine chronische Wachstumsschwäche zu überwinden (und auch nicht wirklich, was von einem bürgerlichem Politiker zu erwarten ist); genauso wenig wie eine derartige protektionistische Besteuerung des Welthandels der EU nutzen würde, ganz im Gegenteil.

Politisch freilich kann eine derartige Steuer durchaus ertragreich sein. Denn sie bedient eine massiver werdende kapitalismusskeptische Stimmung bis weit in bürgerliche Schichten hinein. Sie befriedigt darüber hinaus zumindest scheinbar das munter um sich greifende irrationale Bedürfnis, irgendwelche Sandsack-Wälle gegen die Globalisierung zu errichten. Und sie verfügt über den politisch goldwerten Vorteil, scheinbar niemandem weh zu tun außer ein paar Yuppie-Spekulanten, die mit einem Mausklick Millionen verdienen - die perfekte Schaumweinsteuer des 21. Jahrhunderts sozusagen.

Dass in der Praxis freilich diese Finanztransaktionen angesichts einer "Tobin-Steuer" einfach außerhalb der EU abgewickelt würden und als reale Steuerbasis wohl nur noch der Fremdwährungskredit des Eigenheimerrichters oder der Geldwechsel zwecks Erwerb der handelsüblichen H&M-Textilien aus China bliebe, das muss man in der politischen Diskussion ja nicht extra betonen, solange die emotionale Befindlichkeit des Wählers getroffen wird - und die Nationalbank dankenswerterweise ohnehin laut aufjault.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.

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